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CDU-Parlamentarier gegen Jäger 90

■ CDU-Generalsekretär Hintze findet Jagdflugzeug zu teuer/ Großbritanniens Premierminister Major jettet zum Blitzbesuch nach Bonn, um Kohl zu einer Entscheidung für das Jagdflugzeug zu drängen

Bonn/London (dpa/taz) — Gegen den Jäger 90 wird wahrscheinlich auch die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag stimmen. Als erster CDU-Spitzenpolitiker hat sich gestern Generalsekretär Peter Hintze definitiv gegen die Anschaffung des milliardenteuren Jagdflugzeugs ausgesprochen, weil diese Maschine „nicht in die veränderte finanz- und sicherheitspolitische Lage im vereinten Deutschland“ passe. Im Verteidigungsministerium wollte sich gestern abend die Expertenrunde der Koalition unter Leitung von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU), der gegen die Anschaffung des Jägers ist, zum letzten Mal mit dem Thema beschäftigen.

Gleichzeitig kündigte der britische Premierminister John Major einen Blitzbesuch bei Bundeskanzler Helmut Kohl für Freitag an, um den Euro-Jäger vor dem Absturz zu bewahren. Die britische Regierung, so verlautete in London, sei „ernstlich besorgt“ über die Aussicht, daß sich die Bundesrepublik aus dem Projekt zurückziehe, an dem Großbritannien und Deutschland einen Anteil von je 33 Prozent haben. 40.000 britische Arbeitsplätze seien in Gefahr, wenn das Projekt des „European Fighter Aircraft“ (EFA) scheitere. Die deutsche Industrie spricht von mindestens 20.000 Arbeitsplätzen, die vor allem in Bayern bei einem Ausstieg verloren gingen. Das britische Verteidigungsministerium sei entschlossen, an dem Bau des Bombers festzuhalten, auch wenn die Bundesrepublik aussteige, hieß es gestern. Für diesen Fall dürfte Major versuchen, den Ausstiegspreis für die Deutschen nach oben zu treiben.

Außerhalb Großbritanniens verliert das teure Kriegsgerät zunehmend an Beliebtheit. Spaniens Regierung, mit 13 Prozent kleinster Projektpartner, bleibt zwar offiziell dabei, will aber nur noch 72 statt (wie geplant) 87 der Jagdbomber abnehmen. Pro Stück soll der Fighter rund 100 Millionen Mark kosten (je nach Interessenlage werden Stückpreise zwischen 90 und 110 Millionen in die Diskussion gebracht). Auch Italien (mit einer 21-Prozent-Beteiligung) meint, mit 100 statt 167 Jägern auskommen zu können.

CDU-Generalsekretär Hintze sagte, er unterstütze Verteidigungsminister Rühe nachdrücklich im Bemühen, „auch im Verteidigungshaushalt klare Einsparungssignale zu setzen“. In Kreisen von CDU/CSU und FDP rechnete man gestern damit, daß die Sitzung auf der Hardthöhe mit einem „klaren Dissens“ enden würde. Die CDU/ CSU-Vertreter in diesem Gremium seien „noch für den Jäger“, hieß es. Die FDP-Mitglieder würden sich gegen eine Anschaffung aussprechen. Ein endgültiges Ergebnis wurde von dem Treffen nicht erwartet. Es sollte lediglich noch einmal über EFA diskutiert werden.

Rühe will entweder am 16. oder am 23. Juni in den Fraktionen von CDU/CSU und FDP eine Entscheidung über ein neues Jagdflugzeug herbeiführen. Als Ergebnis dieser Beratungen wird erwartet, daß „die Entscheidung gegen den Jäger“ fällt. Über Alternativen brauche erst in vier bis fünf Jahren entschieden zu werden, meinten Bonns wohlinformierten Kreisen.

Koalitionsexperten verwiesen darauf, daß die 100 Millionen Mark, die zunächst für eine anlaufende Produktion des Jägers im Haushalt 1993 geplant waren, wohl „nicht in den Etat eingesetzt werden“. In den nächsten acht Jahren würden aus Sicht der Bundeswehr ohnehin 20 Milliarden Mark im Verteidigungshaushalt fehlen. Eine Anschaffung des Jägers würde „alles erdrücken“, wurde von Abgeordneten argumentiert. Deshalb werde die CDU/CSU- Fraktion Rühe mehrheitlich in seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Jäger folgen.

Die Sozialdemokraten kritisierten den CSU-Vorsitzenden und Finanzminister Theo Waigel als „Rüstungslobbyisten“. Er solle sein Amt als Finanzminister aufgeben, weil er sich für die Anschaffung des Jägers ausgesprochen habe, meinte die stellvertretende Vorsitzende der SPD- Bundestagsfraktion, Ingrid Matthäus-Maier. Bei Waigel dominiere eindeutig das Amt des CSU-Vorsitzenden. Waigel unterstütze die bayrische Rüstungsindustrie und strafe dadurch seine eigenen Sparappelle Lügen. Der Jäger 90 wird in München von Messerschmitt-Bölkow- Blohm, einer Unternehmenssparte der Daimler-Tochter Deutsche Aerospace (Dasa), gebaut. dri

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