: Business, Business, Business
Die Lage der Öffentlich-Rechtlichen im Mittelpunkt des „Medienforums NRW“ ■ Von Hans-Hermann Kotte
Vor einem möglichen Niedergang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie in anderen europäischen Ländern hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau (SPD), gewarnt. Auf dem vierten „Medienforum NRW“ in Köln sagte Rau, daß das „duale Rundfunksystem fragil und labil“ sei. Rau betonte, daß im Wettbewerb mit den Privaten „eine Liberalisierung der Werbegrenzen keine Probleme löst“. Diese zerstöre auf Dauer die Legitimationsgrundlage des gebührenfinanzierten Rundfunks.
Im Mittelpunkt des „Medienforums NRW“, an dem rund 2.000 FachbesucherInnen und JournalistInnen teilnehmen, stehen in diesem Jahr die Konkurrenz zwischen öffentlichem und kommerziellem Rundfunk, die nationale und internationale Filmfinanzierung sowie der lokale Hörfunk. Angeschlossen ist auch die „Cologne Conference“, ein Fernsehfest, das Beiträge des sogenannten „Qualitätsfernsehens“ präsentiert. Weitere Schwerpunkte sind die Vermarktung von Sportrechten, die Grenzen der TV-Werbung und eine kritische Diskussion des nun auch in Deutschland boomenden „Reality TV“. Nicht zu vergessen: Business, Business, Business und die Standortpolitik für das Medienland NRW ohne Stahl und Kohle.
Johannes Rau forderte eine Reform der Festsetzung der Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie solle stärker von der Politik abgekoppelt und statt dessen „indexiert“ werden. Diese automatische Anpassung an die Preisentwicklung im Medienbereich sei ein „effektiveres, stärker objektivierbares Verfahren“. Zudem müßten sich die Anstalten davon verabschieden, ihre Programmaktivitäten ständig auszuweiten. ARD und ZDF sollten eine „Integration ihrer Satellitenprogramme Eins plus und 3sat und des neuen europäischen Kulturkanals „arte“ in Betracht ziehen und auf den geplanten europäischen Newschannel gleich ganz verzichten.
Rau forderte auch eine genauere und besser von den Landesmedienanstalten abgestimmte Analyse der nationalen (und internationalen) Medienverflechtungen. Dem Privatsender Sat.1 schlug Rau vor, die für mehr als eine halbe Milliarde erworbenen Bundesliga-Rechte mit den Öffentlich-Rechtlichen zu teilen, sich „Gesprächen nicht zu verschließen, die Kriegsbeile und Damoklesschwerter überflüssig machen“. Auch müßten die privaten Fernsehsender — als größte Filmabspulstätten — sich stärker an der Filmförderung beteiligen. Finanziell wünschenswert seien etwa drei Prozent der Nettoerlöse: „Auf diese Weise würden ab 1993/94 knapp 100 Millionen Mark pro Jahr zusammenkommen.“
Ausdrücklich verurteilte Rau die Konzentration im Rundfunk. Klaus Schütz, der Direktor der Landesmedienanstalt NRW, die das „Medienforum“ zusammen mit der Staatskanzlei veranstaltet, mahnte in seiner Eröffnungsrede zur „Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk“. Die Rechtsgrundlagen für die Verhinderung übergroßer Konzentrationsverhältnisse müßten ausgeschöpft und verbessert werden. Auf der Basis des neuen Rundfunkstaatsvertrages müßten nun die „vorherrschenden Beteiligungen“ von mehr als 50 Prozent an bundesweit verbreiteten TV-Programmen mit „gezielt meinungsbildendem Charakter“ ausgeschlossen werden. Auch die Mehrfachbeteiligungen von mehr als 25 Prozent gelte es nun unter die Lupe zu nehmen. Schütz sprach sich auch für eine Aufrechterhaltung der „regionalen Fenster“ in den kommerziellen TV-Programmen aus. Mark Wössner, Vorstandschef der Bertelsmann AG, sprach hingegen von „zu viel Regulierung statt Deregulierung“. Aufsicht und Kontrolle der Landesmedienanstalten sollten nicht „übertrieben werden“. Wichtiger sei ein „Ethikkonsens“ der Privatsender. Der Deregulierung folge dann quasi automatisch eine „Emanzipation des Sehens“. Bis zum Jahre 2000 prognostizierte Wössner eine „Verdoppelung der Rundfunkwerbung“. Die Medienindustrie werde dereinst die Autoindustrie an Bedeutung überholen.
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