piwik no script img

Good luck and lekker spel

■ Zum erstenmal seit fünfzehn Jahren tourt das südafrikanische Ringtennisteam durch die BRD

Mannheim (taz) — Als der Karlsruher Bürgermeister Hermann Schneider 1925 von einer Seereise durch die USA zurückkam, hatte er in seinem Koffer einige Vollgummiringe, ein jeder 225 Gramm schwer, mit einer lichten Weite von 11,8 Zentimetern. Seine Enkel sollen sich alsbald auf die Souvenirs gestürzt haben, in der irrigen Annahme, es handle sich um ein profanes Mitbringsel. Doch weit gefehlt. Auf dem Hochseeschiff, das das Stadtoberhaupt wochenlang gefangen hielt, nutzten sportliche Passagiere das niedliche Utensil zum Tennisspielen. Tennisbälle nämlich waren an Deck denkbar ungeeignet, da sie gleich reihenweise über Bord gingen und ein Zurückholen angesichts der Gefahren durch beißende Haifische unmöglich war. So verbreitete sich Ende der 20er Jahre im nordbadischen Raum das rasante Ringtennisspiel. Der Ring muß hierbei möglichst plaziert über ein 1,50 Meter hohes Netz geworfen werden, so daß ihn der Gegner nicht fangen kann. Üble Tricks, wie das raffiniert inszenierte Wackeln des Rings, sind verboten, ein Strafpunkt ist die Folge. Auch geschmettert darf das Gerät nicht werden. Angsterregende Grimassen à la Henri Leconte sind tabu, zählen zu den groben Unsportlichkeiten und können zum Ausschluß des Spielers führen. Ein Spiel dauert bei den Männern 2x10, bei den Frauen 2x8 Minuten, wer einen Punkt gewonnen hat, schlägt danach von der Grundlinie des badminton-ähnlichen Spielfeldes auf.

Heute gibt es in der BRD zirka 1.500 Ringtennisspielerinnen- und spieler, die sich in Europa mutterseelenallein fühlen, denn außer Hermann Schneider kam keiner derer, die die Ozeane bereisten, auf die Idee, Vereine zu gründen und fitneßorientierte Menschen zum Wettkampf anzustacheln. Und Neuseeland als Ringtennishochburg liegt „down under“, 26 Stunden von Rhein-Main entfernt, und ist für die dünnen Geldbörsen der von Sponsoren Gemiedenen schlicht zu aufwendig. Das mit großem Eifer Ringtennis spielende Südafrika dagegen kam als Gegner aufgrund des Sportboykotts wegen der Apartheid-Politik nicht in Frage. 1977 hatte Daan Nel, der Präsident des dortigen Verbandes zuletzt mit seinem Springbok- Team in der BRD gastiert.

Fünfzehn Jahre danach sind jetzt die Ringtennis-Nationalteams aus der Provinz Transvaal auf vierwöchiger Reise durch Süddeutschland, wo sie in Mannheim auf die Deutschen trafen. Beide Male triumphierten die Weitgereisten mit 25:3 und 19:9, spielten die braven Deutschen mit ihrem unorthodoxen frechen Stil schier schwindlig. „Wir waren alle sehr frustriert wegen der Auswirkungen des Boykotts und sind froh, daß sich die politischen Verhältnisse endlich wandeln“, freut sich Elbie Nel, daß nur einer aus ihrer Delegation beim Referendum mit „nein“ gestimmt hatte. Heute sind die Regeln andere. Die Clubs kennen keine Schranken mehr für schwarze Mitglieder. In der Transkei gibt es gar Kurse für Lehrer, die das Ringtennis erlernen und an ihre scharzen Schülerinnen und Schüler weitergeben. Frau Nel schätzt, daß es ungefähr zwanzig Jahre dauern wird, „bis wir von der Segregation zur Integration gelangt sind“.

In Mannheim sprühten die Gäste aus Südafrika vor Spielfreude. Nationalspielerin Maike von Aschwege (15) saß nach ihrem Doppel mit Michaela Weiler wie ein Häufchen Elend auf der Bank. Die beiden waren an den viel älteren Sandra Krüger (39) und Ronel Ensslin (31) mit 16:30 gescheitert. „Good luck and lekker spel“ hatte zu beginn ein Offizieller auf den Platz gerufen. Glück brauchten die Gäste keines, und für die Deutschen war das alles gar nicht lecker. Günter Rohrbacher-List

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen