: Afrika: Die Ärmsten verarmen weiter
■ UNO-Kommission: Im Welthandel haben die 32 am wenigsten entwickelten Länder keine Chance
Harare (ips/taz) — Im Welthandel haben die ärmsten Länder der Erde keine Chance, aufzuholen. Die meist vom Export einiger weniger Rohstoffe abhängigen Staaten Afrikas verlieren weiter an Marktanteilen. Die Konjunkturflaute in den Industrieländern, den wichtigsten Abnehmern, verschärft die Krise zusätzlich.
Eine deutlichere Sprache für die strukturelle Misere, in der die 32 am wenigsten entwickelten Länder Afrikas stecken, konnte die UNO-Wirtschaftskommission für Afrika (ECA) kaum finden: „Die Negativbilanzen in den Außenhandelssektoren sind weder zeitlich bedingt noch sporadischer Natur“, heißt es in einer kürzlichen ECA-Evaluierung des Außenhandels dieser Länder.
Jedes Jahr ziehen die afrikanischen Finanzminister und Zentralbankchefs zu den im Pariser Club versammelten Gläubigerländern, um ihnen immer wieder dieselbe Wahrheit vorzuhalten: Der Negativsaldo in den Zahlungsbilanzen hat sich vergrößert, die Rückzahlung der Auslandsschulden und Importe könne nur mit Mühe beglichen werden, der Entwicklungsprozeß kommt nicht voran — selbst dann nicht, wenn die Länder die verordneten Programme zur Wirtschaftsanpassung befolgt haben.
In den letzten beiden Jahrzehnten stiegen die Einnahmen aus dem Export von Gütern weltweit um 12,6 Prozent. Während der Zuwachs in den übrigen Entwicklungsländern Afrikas bei acht Prozent lag, verzeichneten die ärmsten 32 Länder nur ein Wachstum von 5,7 Prozent.
Gründe für das Zurückbleiben hinter der restlichen Welt sind vor allem der Verfall der Rohstoffpreise, die Abhängigkeit von einigen wenigen Produkten, die schwere Krisen bei jedem Sinken der Preise auf dem Weltmarkt bringt, aber auch die veränderten Praktiken im Welthandel. So haben bei den per Computer abgewickelten Handelsabläufen die Afrikaner mit ihren meist noch traditionellen Kaufs- und Verkaufsbeziehungen das Nachsehen. Versuche zur Diversifizierung der Exportpalette waren häufig zum Scheitern verurteilt, weil die afrikanischen Länder für ihre Produkte im modernen Handelssystem keine Absatznischen fanden. Der Anteil des Armenhauses Afrika an den globalen Exporten sackte von 0,7 Prozent 1970 auf 0,2 Prozent im Jahr 1989 ab, der der Entwicklungsländer des Kontinents fiel im selben Zeitraum von vier auf 1,8 Prozent.
Darüber hinaus leidet der Außenhandelssektor Afrikas auch unter der wirtschaftlichen Krise in den Industrieländern, da die Nachfrage nach afrikanischen Produkten weiter sinkt, wie ECA-Geschäftsführer Issa Diallo konstatiert.
Die Auslandsschulden, derzeit auf mehr als 275 Milliarden Dollar geschätzt, entsprechen bereits 72,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Schuldendienst frißt mehr als 25 Prozent der Exporteinnahmen. Die Schulden der 32 am wenigsten entwickelten Länder, im UNO-Jargon LLDC gekürzelt, steigen inklusive der Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die „strukturellen Anpassungsprogramme“ von 48 Milliarden Dollar im Jahr 1988 auf 57 Milliarden Dollar 1990. 39 Milliarden Dollar oder 68,7 Prozent der Schulden gehen auf das Konto der sieben Staaten Äthiopien, Guinea, Mosambik, Somalia, Sudan, Tansania und Uganda.
Die Schuldenlast mag im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern, hauptsächlich in Lateinamerika, gering erscheinen, doch der Schuldendienst hat die Ressourcenknappheit wesentlich verschärft. 1990 wurden erst 29 Länder zu den afrikanischen LLDC gerechnet, inzwischen zählen auch Madagaskar, Sambia und Zaire zum Kreis der Ärmsten der Armen.
Ende der 80er Jahre waren die LLDC in Afrika in weit stärkerem Maße von ausländischer Nahrungsmittelhilfe abhängig als andere Entwicklungsländer. Rund 40 Prozent der Kinder im Vorschulalter leiden in diesen Staaten an akutem Proteinmangel, während es in Asien 16 Prozent und in Lateinamerika vier Prozent sind.
Im Außenhandel sind den Afrikanern in den letzten Jahren noch dazu neue Hürden erwachsen, wie ECA- Geschäftsführer Diallo kürzlich vor einer afrikanischen Expertenrunde feststellte. Die Länder Osteuropas entwickelten sich zu immer stärkeren Konkurrenten beim Export von Rohstoffen, und die Bildung neuer Handelsblöcke in der Welt erschwere den Zugang zu den Märkten. In dieser Situtation empfiehlt Diallo den LLDC ebenfalls die wirtschaftliche Blockbildung. Der Vertrag zur Errichtung der Afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, der im Juni 1991 in Abuja von den afrikanischen Präsidenten unterzeichnet wurde, sei bereits ein erster Schritt in diese Richtung, meint der Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), Salim Ahmed Salim. Die Interessen Afrikas hätten sich ohnehin nie mit denen der Industrieländer gedeckt. Anaclet Rwegayura
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