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Golfkrieg-Gewinner Syrien in der Ecke

Israelische Bombardements im Südlibanon/ Die USA üben Druck auf Damaskus aus/ Assad, zunehmend isoliert, ist zu Zugeständnissen bereit/ Steht am Ende ein Separatfrieden mit Israel?  ■ Von Khalid Gidran

Berlin (taz) — Auf der Bühne kracht und hinter den Kulissen rumort es. So läßt sich die nahöstliche Szenerie dieser Tage beschreiben. Im Südlibanon bombardiert die israelische Luftwaffe die dortigen Dörfer, und Gruppen der schiitischen Organisation Hizbollah beschießen Nordisrael.

Doch wer vom Libanon spricht, der muß auch von dem Regisseur aus Damaskus reden. Der wiederum gerät zunehmend unter Druck. Der Logenplatzbesucher aus dem Weißen Haus in Washington fordert, daß Syrien die Hizbollah-Darsteller zum Schweigen bringt.

Nach dem Niedergang ihres ehemaligen Verbündeten Sowjetunion hatte die syrische Regierung versucht, sich mit der neuen unangefochtenen Ordnungsmacht USA zu arrangieren. Dabei sah es zunächst ganz gut aus. Der syrische Präsident Hafez el-Assad ergriff die goldene Chance des Golfkrieges. Gegen den Willen eines überwiegenden Teils der Bevölkerung, die mit ihren irakischen Nachbarn sympatisierten, reihte sich Assad in die Anti-Irak- Front ein. Der Vorteil war offensichtlich: Damaskus bekam als Belohnung freie Hand im Libanon. Binnen kurzem waren die wichtigsten libanesischen Widersacher Syriens, wie der maronitische General Aoun, aus dem Feld geschlagen.

Doch seit die syrische Delegation bei den Madrider Nahost-Gesprächen und den Folgeverhandlungen am lautesten nach einem Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten pochte, weht wieder ein kälteres Lüftchen aus Washington.

In der arabischen Welt herrscht inzwischen fast durchgängig die Überzeugung, daß nach dem Irak und Libyen jetzt Syrien zum „Aussätzigen“ auf der internationalen Bühne wird. So harrt man in Damaskus nun der Dinge, die da kommen. Die ersten Alarmglocken begannen zu läuten, als Vermutungen laut wurden, auch Syrien sei in die Lockerbie-Affäre verwickelt. Das US-Magazin 'Time‘ spekulierte, daß die von Syrien kontrollierte palästinensische Gruppe um Ahmad Jibril mit dem Anschlag in Verbindung stehe. Dazu kam, daß Syrien nicht von der US-Liste von Staaten, die den „Terrorismus“ unterstützen, gestrichen wurde.

Die USA beginnen auch auf eine Wunde zu drücken, die Damaskus am liebsten vergessen machen will: das Abkommen von Taif, das Damaskus vor zwei Jahren unterzeichnet hatte. Damals wurden die syrischen Truppen legitimiert, die Autorität des libanesischen Staates gegen die Milizen durchzusetzen. Einziger Haken für Damaskus: Bis zum 21.September diesen Jahres sollen die 35.000 syrischen Soldaten laut Vertrag wieder das Land verlassen.

Auch die vor etwas mehr als einem Jahr unterzeichnete Damaskusdeklaration bereitet Kopfzerbrechen. Laut Abkommen sollten in Zukunft syrische und ägyptische Truppen für die Sicherheit am Golf sorgen. Doch die Golfstaaten ignorieren diesen Vertrag. Sie verlassen sich eher auf westliche Eingreiftruppen als auf eine „arabische Sicherheitsordnung“.

All die kleinen Freiheiten, die Syrien seit dem Golfkrieg genossen hat, wurden nach und nach in Frage gestellt. Auf den Druck der USA und deren Verbündeten Türkei mußte Damaskus die Ausbildungslager der kurdischen Kampforganisation PKK in der syrisch kontrollierten libanesischen Bekaa-Ebene schließen. Auch die lukrativen Mohnfelder in dieser Ebene sollten zerstört werden. Doch der Druck machte auch vor der syrischen Innenpolitik nicht halt. Seit neuestem erlaubt Damaskus den syrischen Juden die Ausreise. Ein Thema, bei dem die syrische Regierung bisher immer auf stur schaltete.

All dies sind Anzeichen dafür, wie sehr die Regierung Assad tatsächlich in Bedrängnis geraten ist. Daß Damaskus versucht, sich mit den anderen isolierten arabischen Regimes — Irak und Libyen — zu solidarisieren, ist kaum ein Ausweg. Als eine syrische Maschine versuchte, trotz UN- Boykott nach Libyen zu fliegen, wurde sie kurzerhand im griechischen Luftraum zurückgepfiffen. Inzwischen beteiligt sich auch Damaskus am Boykott — zwangsweise. Auch zum alten Erzrivalen Irak wurden neue Beziehungen aufgenommen. Nicht nur die Grenzen sind nach vielen Jahren wieder inoffiziell passierbar, auch die Wiedereröffnung einer Ölpipeline zwischen beiden Ländern ist im Gespräch.

Die wirklich großen syrischen Zugeständnisse werden von den USA und Israel in den Nahost-Verhandlungen verlangt. Im Golfkrieg gehätschelt, geht es nun ums Eingemachte für Damaskus. Viele glauben, daß die Nahost-Gespräche ohnehin nur mit dem Ziel begonnen wurden, eine separates Friedensabkommen nach dem Camp-David- Muster zwischen Israel und Syrien abzuschließen. Ob der Druck auf Syrien allerdings ausreicht, Assad zu diesem Schritt zu zwingen, bleibt noch abzuwarten.

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