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Auslandsschulden gegen Umweltschutz

Brasilien will Schuldenberg in „Debts For Nature Swap“ umwandeln/ IWF-Ziele bleiben unerfüllt  ■ Von Astrid Prange

Rio de Janeiro (taz) — Die UNCED erweist sich als erfolgreicher Unterhändler für die brasilianische Auslandsschulden. Drei Tage nach der Eröffnung des UNO-Umweltgipfels am Zuckerhut unterzeichnet der brasilianische Präsident Fernando Collor de Mello heute das erste Projekt, bei dem Titel der brasilianischen Verbindlichkeiten in Finanzinstrumente für Umweltschutzprogramme umgewandelt werden.

Die „Debt For Nature Swap“ im Wert von zwei Millionen US-Dollar stammt von der amerikanischen Organisation „National Conservancy“. Empfängerin des Geldes ist die brasilianische Umweltinitiative „Fundacao Pro-Natureza“ (Funatura), angeführt von Maria Tereza Jorge Padua, zugleich Chefin der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA. Wirtschaftsminister Marcilio Marques Moreira kündigte an, daß bis zu 100 Millionen Dollar des brasilianischen Schuldenberges auf diese Weise abgebaut werden sollen.

Im Gegensatz zum brasilianischen Kabinett ist die Mehrheit der brasilianischen Organisationen (NGOs), die nicht der Regierung unterstellt sind, gegen den umweltpolitischen Tauschhandel. Sie sehen darin vielmehr die Gefahr, daß so die Zahlung der Auslandsschulden an sich legitimiert würde. Bildungs- und Umweltminister Jose Goldemberg hofft hingegen, daß durch die „Debts For Natur Swap“ in Zukunft auch andere NGOs die dringend benötigte Kapitalspritze bekommen. „Die Kritik an der Art und Weise der Investitionen, die mit dem im Ausland gewonnen Geld vorgenommen wurden, ist berechtigt. Doch die Schuld ist nun einmal da“, verteidigt er sich.

Das gigantische Ausmaß der brasilianischen Auslandsschuld von rund 120 Milliarden Dollar wird sich durch die Transaktionen nicht wesentlich verringern. Die brasilianische Regierung ist weiterhin dazu gezwungen, Sozialleistungen zu streichen, eine Hochzinspolitik zu betreiben und die Steuereinnahmen zu erhöhen, um die Zinsen der Auslandsforderungen überhaupt bezahlen zu können — vom wirklichen Abbau der Schuldenberge einmal ganz abgesehen. Im Zeitraum von 1980 bis 1990 belief sich der Schuldendienst Brasiliens auf 155 Milliarden Dollar. Trotz dieses massiven Kapitalexports in die Erste Welt wuchs die Schuldenlast im gleichen Zeitraum von 62 auf 120 Milliarden an.

Die ausländischen Verpflichtungen des gesamten lateinamerikanischen Kontinents machen mittlerweile 429 Milliarden Dollar aus, was einer pro-Kopf-Verschuldung von 975 Dollar entspricht. Allein im vergangenen Jahr überwiesen die Latinos nach Angaben der Weltbank 37 Milliarden Dollar an Zinszahlungen in den Norden.

Daß die Rezepte des Internationalen Währungsfonds (IWF) in erster Linie nicht den Interessen der Schuldnerländer, sondern den Gläubigern dienen, bekommt besonders Brasilien zu spüren. Während Präsident Collor im ökologischen Taumel die erste „Debt For Nature Swap“- Erklärung unterzeichnet, wird Wirtschaftsminister Marcilio Moreira von den IWF-Vertretern in die Zange genommen, die ebenfalls zur UNCED nach Rio angereist sind. Der Grund: Dem Minister ist es nicht gelungen, die mit dem IWF vereinbarten Ziele zu erfüllen, weder was die Inflation angeht, noch was das Haushaltsdefizit betrifft. Die monatliche Inflationsrate verharrt schon seit über einem halben Jahr über der 20-Prozent-Marke, obwohl sie nach dem Zeitplan des IWF im Mai bereits bei 14 Prozent liegen müßte. Der primäre Haushaltsüberschuß ist nicht einmal groß genug, um damit die Zinslasten des öffentlichen Defizits zu begleichen, das zu einem großen Teil über Kredite aus dem Ausland finanziert wird. Mit anderen Worten: Die Gefahr, daß die brasilianische Regierung wieder die Notenpresse anwerfen muß, um ihre Schuldentitel zu decken, weil nicht genügend andere Einnahmequellen vorliegen, ist bei weitem noch nicht gebannt.

Dabei wissen die Unterhändler, wie sehr sie vom Wohlwollen des IWF abhängig sind. Das Verhältnis zwischen Brasilien und dem IWF ist seit Jahren belastet. Trotz einer Einigung mit der internationalen Finanzorganisation im Februar dieses Jahres zeigten sich dessen Vertreter mehr als skeptisch über die Entwicklung im Land. Und auch die im „Pariser Club“ organisierten Gläubigerstaaten und das Komitee der privaten Gläubigerbanken, bei denen Brasilien mit insgesamt 90 Milliarden Dollar in der Kreide steht, hatten zwischenzeitlich ihre Kredite eingefroren und harte Verhandlungen mit der brasilianischen Regierung geführt.

Wirtschaftsminister Marcilio Moreira versucht dennoch, ein optimistisches Klima zu verbreiten. Er hat es bitter nötig. Wenn die Regierung Collor die mit dem Währungsfond ausgehandelten Zielsetzungen nicht erfüllt, wäre damit auch die elfte Absichtserklärung innerhalb von zehn Jahren gescheitert.

Die UNO-Umweltkonferenz hat nicht gerade zur Sanierung des brasilianischen Haushaltes beigetragen. Nach Angaben von Flavio Perri, leitendes Mitglied der nationalen Arbeitsgruppe (GTN), die für die Organisation der UNCED verantwortlich ist, bedeutete die Konferenz für das Land einen Aderlaß von rund 37 Millionen Dollar. Allein die Anreise und Unterkunft der Mitglieder der UNO- Delegation kostete zwei Millionen Dollar.

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