piwik no script img

Werbespots — unverdaulich dosiert

■ WählerInnen haben von der „Waschmittelwerbung“ der Parteien die Nase voll

Nicht nur die Tageszeitung 'Lidovy noviny‘ kommentierte voller Entrüstung. Auch meine Prager Freundin war empört: „Seit zwei Jahren ertragen wir nun die Werbespots für Ariel, Persil und Vizir und jetzt auch noch die Waschmittelwerbung der Parteien.“

Tatsächlich hätte sich das staatliche Fernsehen gemeinsam mit den Wahlkampfmanagern der 42 zur Wahl stehenden Parteien kaum etwas einfallen lassen können, was die wahlmüden Tschechen und Slowaken noch weiter von den Urnen weggetrieben hätte. Aus Gründen der Chancengleichheit entschieden sie sich, ihre Werbespots nicht in leicht verdaulichen Dosen, sondern gebündelt zu senden: drei Wochen lang, nahezu jeden Abend eine ganze Stunde die Kernaussagen der Parteien.

Und diese hatten es in sich. Sie reduzierten die im Lande geführte Diskussion über Wirtschaftsreformen und Verfassung auf eine Auseinandersetzung zwischen Feinden und Freunden „der“ Demokratie. Einige Kostproben: „Das Programm für alle, die für die Freiheit geboren wurden.“ „Die Kraft fortzufahren, der Wille zusammenzuarbeiten“ oder auch: „Achtung vor Linksabbiegern“. Und da „man“ sich so oder so bereits den westlichen Wahlkampfgepflogenheiten angepaßt hatte, wurde im Gegensatz zu den Wahlen vor zwei Jahren nun auch flächendeckend mit den Konterfeis der führenden Politiker geworben. An Straßenbahnhaltestellen, an Laternenpfählen und — mit leicht verzerrten Gesichtern— auch an Wellblechzäunen, überall konnte frau sie sehen: Männer, Männer, Männer. Jugendlich vor strahlend blauem Himmel, staatsmännisch vor der Prager Burg, als Denker mit einem Schachbrett. Frauen tauchten in der Serie der Wahlplakate dagegen fast nicht auf. Mit einer Ausnahme: die konservative „Bürgerlich-demokratische Allianz“ ließ fünf ihrer Politikerinnen gemeinsam abbilden. Jedoch: diese hatten im politischen Leben der CSFR bisher nichts zu sagen.

Inhaltliche Auseinandersetzungen fanden so kaum statt. Das staatliche Fernsehen hatte zu Mammut-Podiumsdiskussionen mit KandidatInnen, von denen wohl drei Viertel an der 5-Prozent-Klausel scheitern werden, aus gutem Grund keine Lust. Viele Politiker — nicht zuletzt der vermutliche Wahlsieger Vaclav Klaus selbst — lehnten wiederholt ihre Teilnahme bei einem öffentlichen Schlagabtausch ab. Statt dessen finanziert seine „Bürgerlich-demokratische Partei“ (ODS) auch mit Mitteln aus dem Ausland einen Wahlkampf, der insgesamt 70 Millionen Kronen (ca. 4,4 Millionen Mark) kosten wird. Der „Linke Block“, ein Wahlbündnis der Kommunistischen Partei und unabhängiger Kandidaten, wird als zweitstärkste politische Gruppierung der Tschechischen Republik (Wahlprognose: 10 Prozent) dagegen lediglich 10 Millionen Kronen investieren.

Das linke Bündnis fliegt seinen Spitzenkandidaten im Unterschied zu den „Klausianern“ freilich auch nicht im Hubschrauber von Wahlkampfauftritt zu Wahlkampfauftritt. Doch die ODS weiß, was sie tut. Bei den Reden vor meist überfüllten Hallen und Marktplätzen zelebriert Klaus den Gestus des überzeugten Siegers. In edle Stoffe gekleidet, seine Englischkenntnisse dezent betonend, trägt er seine Kernaussagen vor. Daß bei einem „Sieg der Linken“ die „Demokratie in Gefahr“ sei, verkündet er, ohne auch nur einmal die Stimme zu erheben. Ganz so, als erkläre er an der Universität die Zusammensetzung des Bruttosozialproduktes. Eine scheinbare Sachlichkeit, die die WählerInnen überzeugt. Nach Wahlvoraussagen wollen 20 Prozent der TschechInnen Vaclav Klaus ihre Stimme geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen