: „Deppen von Waldaus Gnaden“
■ Von Putsch zu Putsch: Das Ernst-Waldau-Theater torkelt dem Konkurs entgegen
Von den eineinhalb Millionen, die dem Ernst-Waldau-Theater für dieses Jahr zustehen, hat es schon fast alles verbraten: 1.350.000 Mark sind bis 31.7. ausgegeben. Weitere 450.000 Mark wären allein schon nötig, um im Spätsommer die nächste Spielzeit zu starten.
Niemand weiß, wie es weitergeht. Die Kulturdeputation weigert sich eisern, dem maroden Haus weitere Finanzspritzen zu setzen. Auf ihrer letzten Sitzung hat sie die Gelder für 1993 gleich ganz gesperrt. Voraussetzung für die Freigabe: die Umwandlung des Theaters in eine GmbH und eine überzeugende Antwort auf die Frage, wie das Haus wieder zu befüllen sei. Die Zuschauerzahlen gehen seit Jahren zurück und sind in der laufenden Spielzeit auf dem Tiefststand angelangt: im Schnitt sind die Abendvorstellungen nur noch zu 58 Prozent ausgelastet.
Auf diesem tätigen Vulkan tanzt jetzt der Trägerverein, jedenfalls solang er noch das Theater betreibt. Am Mittwoch stürzte er, wie berichtet, seinen Vorstand, den er sich erst neulich nach dem Rücktritt des vorherigen erkoren hatte und wählte sich bei der Gelegenheit den nächsten.
Den Vorsitz hat jetzt Jo Hanns Müller inne. Der ehemalige Redakteur von Radio Bremen war erst am Abend der Wahl in den Verein eingetreten, zusammen mit neun weiteren Leutchen, denen allesamt gute Beziehungen zur amtierenden Chefin Ingrid
Waldau-Andersen nachgesagt werden. (Unter ihnen übrigens Dr. Klaus Gätjen, der gefürchtete Vorsitzende des Goethebundes und einer der Köpfe des neuen „Freundeskreises Ernst-Waldau- Theater“, der bislang keinen Pfennig und zu denken nur insofern gegeben hat, als auch Sparkassen-Erbonkel Friedrich Rebers drinsitzt.)
„Ein gut vorbereiteter Putsch“, sagt der abgesetzte Klaus Nowicki. „Kein Kommentar“, sagt Ingrid Waldau-Andersen.
Nowicki, im Verein bekannt als Rebell gegen die umstrittene Leitung, trommelte gestern die Presse zusammen und hatte ein Häuflein Empörer dabei, die den neuen Vorstand für eine „Katastrophe“ halten: „Das sind leider wieder alles Leute, die eine Rolle begehren“, wie Christian Rohlfing sagte, „Leute, die sich dafür zu Deppen von Waldaus Gnaden machen lassen.“
In der Tat besteht der Trägerverein, der doch die Leitung kontrollieren soll, fast nur aus Ensemblemitgliedern, die von ebendieser Leitung „besetzt“ werden oder nicht. Drei unabhängige Gutachter, bestellt von der Kulturbehörde, hatten angesichts dieser Absurdität dringend zu einer GmbH-Lösung geraten und angesichts der künstlerischen „Konzeptionslosigkeit“ der Leitung statt „Aktionismus“ (Christian Seeler, Geschäftsführer des Ohnsorg-Theaters) eine Rückkehr zum rein niederdeutschen Spielbetrieb empfohlen.
In diesem Sinne hat Klaus Nowicki seine kurze Amtszeit genutzt: Auch tat er eine Menge, um die Chefin Waldau-Andersen schon vorfristig loszuwerden (“Wir waren schon ziemlich weit!“), und untersagte ihr schon mal, sicher ist sicher, den Abschluß ausgabewirksamer Verträge. Das aber war seinem Mit- Vorstand, der doch ehedem der Chefin notgedrungen selber gekündigt hatte, nun auch wieder nicht recht. Aus dessen Reihen kam der Antrag, Nowicki abzuwählen.
Jetzt befürchten die Empörer den Konkurs des Theaters, weil Geld erst fließen wird, wenn sich
das Haus aus seinem Schlamassel bequemt. Barbara Löhr, kommissarische Pressesprecherin der Kulturbehörde, findet zwar, daß der Verein mit seinen Vorständen machen kann, was er will, besteht aber auf dem Ultimatum ihrer Behörde: „Am 1. Oktober muß ein Konzept vorgelegt werden“.
Die Frist ist vordem allerdings schon dreimal verlängert worden. „Wir wundern uns über diese Geduld“, sagt Werner Michaelsen, ein Empörer, „wir wundern uns aber auch über die mehrheitliche Dummheit in unserm Verein. Die Leute begreifen nicht, daß es schon fünf nach zwölf ist“.
In der Tat ist die Frage, wer an dem angestrebten Neubeginn überhaupt noch beteiligt wird. In der Kulturbehörde war schon länger von dem Plan zu hören, ein etwa einjähriges Moratorium über das Haus zu verhängen und die Denkpause für eine bundesweite Ausschreibung zu nutzen. In diesem Plan wären die Empörer mit ihrem Vorhaben eines rein niederdeutschen Theaters Konkurrenten unter anderen gewesen. Jetzt, da hinter den Kulissen der obskure „Freundeskreis“ mit eifrigem Spuken gestandne Vorstände erschreckt, ist wieder alles offen, außer daß es ohne Freund Rebers seine Sparkasse nix Rechtes werden dürfte mit der neuen GmbH.
Die Empörer fragen sich erstmal bang, was der neue Vorstand jetzt treiben wird. Setzt er die Chefin wieder auf den Thron? Stürzt er die Senatorin? Oder tritt er zurück? Was meinen Sie, liebe Leser? Schreiben Sie uns. Manfred Dworschak
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