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Der neue Glanz des Betongoldes

Immobilien sind als Geldanlage weitaus attraktiver als Gold/ Die Zeit als Krisenwährung ist vorbei/ Der Marktpreis deckt kaum noch die Kosten der Gewinnung in den Goldbergwerken  ■ Von Katrin Schröder

Vorbei sind die Zeiten, in denen Alchemisten den Stein der Weisen suchten, um mit seiner Hilfe — sowie einer gewissen Unterstützung durch die Götter — Quecksilber, Kupfer oder Blei in Gold zu verwandeln. Ob es nun an der Mißgunst der Götter lag oder an der Verdrängung der Alchemie aus den Naturwissenschaften — das Edelmetall wird bis heute in den Goldminen abgebaut, und selbst das lohnt sich häufig nicht mehr.

Die Feinunze Gold — das sind gut 31 Gramm — kostet derzeit in London nicht einmal mehr 340 Dollar. Ein Preis, der in verschiedenen Goldbergwerken nahe bei den Produktionskosten liegt. In Südafrika zum Beispiel, dem mit heute 600 Tonnen Jahresproduktion nach wie vor größten Goldförderland, wurden im vergangenen Jahr etwa 30.000 Minenarbeiter wegen Produktionskürzungen und der Stillegung unrentabler Betriebe auf die Straße gesetzt.

Auch in Kanada, Chile und kleineren Produzentenländern schmolzen 1991 für einige Unternehmen die Gewinne. Aufgrund niedrigerer Produktionskosten konnte die Goldförderung in den USA — hauptsächlich in Nevada — dagegen auf etwa 300 Tonnen jährlich ausgeweitet werden. Damit haben die Vereinigten Staaten die ehemalige Sowjetunion eingeholt, die traditionell allein auf Platz zwei der Goldförderländer lag. Leicht zugenommen hat auch die Fördermenge in den Entwicklungsländern. Für sie ist das Gold ein wichtiger Exportartikel zur Erwirtschaftung von Devisen.

Im vergangenen Jahr stagnierte die Bergwerksproduktion von Gold in den westlichen Förderländern erstmals nach zehn Jahren kräftiger Zuwachsraten bei insgesamt knapp 1.760 Tonnen. Dazu kamen fast 470 Tonnen aus dem Recycling, dem sogenannten Altschrottaufkommen. Etwa 350 Tonnen Gold warf die Sowjetunion auf den westlichen Markt. Damit stand ein Goldangebot von etwa 2.580 Tonnen einer industriellen Nachfrage von insgesamt nur 2.080 Tonnen gegenüber. Wen wundert's, wenn das den Preis drückt.

Zu einem zusätzlichen Angebot könnten natürlich auch die weltweiten Goldbestände werden. Der Goldumsatz entsprach 1990 allein an der New Yorker Edelmetallbörse mit über 30.000 Tonnen dem siebzehnfachen der jährlichen Minenproduktion. Der größte Teil des edlen Metalls lagert in den Kellern der Zentralbanken und soll das Vertrauen in die nationalen Währungen stärken. Allein 3.700 Tonnen Gold hat die Deutsche Bundesbank aufgeschatzt, von denen allerdings seit der Gründung des Europäischen Währungssystems zwanzig Prozent an den Europäischen Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit übereignet sind.

Mit der Vorsicht von Kaufleuten bilanzieren die deutschen Währungshüter den Goldschatz nach dem Niederstwertprinzip, das heißt in diesem Fall zu den Anschaffungskosten in eigener Währung. Da sich die Bestände der Frankfurter Währungsbehörde seit 1972 nicht mehr verändert haben, steht die Feinunze in der Bundesbankbilanz mit lediglich 144 Mark im Buch.

Neben den Zentralbanken horten institutionelle und private Anleger das edle Element als Schmuck oder in Goldbarren. Kurzfristig versuchen Spekulanten, Gewinne über den schwankenden Goldpreis zu erzielen. Längerfristig dient das Edelmetall zur Sicherung des Vermögens. Doch wer hat schon noch aus Angst vor der Entwertung seines Geldvermögens durch Inflation wertsichernde Goldbarren unter der Matratze liegen? „Sobald irgendwo geschossen wird, gewinnt das Gold wieder an Wert,“ sagt Gerhard Schulz, zuständig für die Edelmetalle bei der Berliner Bank, aber „nur die älteren Bürger wissen noch, was man im Kriegsfall mit Goldmünzen erreichen kann.“ Nur wenige KundInnen fragen nach 500 Gramm oder gar einem Kilobarren, eher bieten sie selbst einen Goldbarren aus der Erbschaft zum Verkauf an. Und auch die Profis, die mit Geld Geld verdienen wollen, wählen lieber Anlagen in Wertpapieren oder Devisen.

Seine traditionelle Rolle als Krisenwährung hat das Gold inzwischen verloren. Angesichts der irakischen Invasion in Kuwait stieg der Goldpreis Anfang August 1990 gerade noch auf knapp 416 Dollar, zum Jahresende sank er aber wieder unter 380 Dollar pro Feinunze. Seit zwei Jahren bewegen sich Gold- und Dollarkurs nicht mehr gegenläufig, wie es zuvor der Fall war.

Auf dem Goldmarkt wird natürlich nicht immer mit offenen Karten gespielt. So versuchen zum Beispiel Anbieter großer Mengen, diese möglichst kursschonend im Stillen — etwa durch einen Umweg über ausländische Banken — an die Nachfrager zu bringen. Hartnäckige Gerüchte über die Bestände der ehemaligen Sowjetunion sorgten bis Ende 1991 für Nervosität und Unsicherheit auf dem Markt. Die sowjetische Staatbank habe mindestens 2.000 Tonnen Gold auf der hohen Kante, so erzählte man sich in Händlerkreisen. Mit dem Umsturzversuch in der ehemaligen UdSSR wurde befürchtet, daß die devisenarme Republik nun ihr Gold versilbern werde.

Solch ein hohes potentielles Angebot drückte natürlich weiter auf den ohnehin abwärts zeigenden Kurs. Ende September kam allerdings die Entwarnung: Gregor Jawlinski, einer der führenden Wirtschaftsexperten der UdSSR, erklärte, daß die Goldreserven der Staatsbank gerade noch 240 Tonnen betragen.

Den letzten großen Boom hatte das gelbe Edelmetall Anfang der achtziger Jahre erlebt. Bekam man 1979 eine südafrikanische Krügerrandmünze — sie wiegt genau eine Unze — in Zürich noch für knapp 380 Franken, so mußte man 1980 bereits gut 1.380 Franken dafür hinlegen. Das waren die richtigen Zeiten für Spekulanten. Ein schwacher Dollar, hohe Inflationsraten sowie hohe Erdölpreise, die die Inflation weiter anheizten, machten Gold als Anlagemedium attraktiv — ein ähnliches Szenario wie zu Zeiten der ersten Ölpreiskrise 1973-74. Am 31.Januar 1980 wurde in London der Preis für die Feinunze auf der Rekordmarke von 850 Dollar fixiert, am 30.März desselben Jahres notierte Gold nur noch mit 474 Dollar pro Unze — ein Preisrutsch von 56 Prozent in zwei Monaten.

Das Londoner Fixing, den weltweit maßgebenden Preis für Gold, gibt es erst seit April 1968. Denn vorher bestimmte der Goldankaufpreis der US-amerikanischen Notenbank (Federal Reserve Board) auch den Goldpreis auf dem freien Markt. Seit März 1968 allerdings bewegten sich der offizielle und der freie Goldpreis auseinander.

Damals galten völlig andere Spielregeln im internationalen Währungssystem. Mit Inkrafttreten des Bretton-Woods-Abkommens 1946 verpflichteten sich die Teilnehmerländer, feste Währungsparitäten gegenüber dem Dollar beziehungsweise gegenüber Gold einzuhalten. Das Federal Reserve Board hatte eine Parität von 35 Dollar je Feinunze Gold vereinbart und sich verpflichtet, angebotene Dollar gegen das Edelmetall einzulösen. Schon in der ersten Hälfte der sechziger Jahre, dann verstärkt durch den Vietnamkrieg, fiel es den US-amerikanischen Notenbankern schwer, diesen Dollarkurs gegenüber Gold aufrechtzuerhalten. Gemeinsam mit europäischen Zentralbanken versuchten sie dann im sogenannten Gold-Pool, den Goldpreis auf dem niedrigen Niveau zu stabilisieren. Frankreich beteiligte sich übrigens nicht an der internationalen Kooperation, sondern tauschte große Mengen an Dollarreserven in Gold um. 1967 verstärkte sich die Goldnachfrage. Das Pfund und der Dollar, in jener Zeit die beiden wichtigsten Währungen, waren immer weniger gefragt — der Gold- Pool mußte immer größere Mengen an Gold auf den Markt werfen. Allein von November 1967 bis März 1968 boten die westlichen Zentralbanken Gold im Wert von drei Milliarden Dollar an, um den Goldpreis zu drücken. Der Gold-Pool gab auf, und der Goldmarkt wurde gespalten. Auf dem Währungsgoldmarkt zwischen den Zentralbanken galt weiterhin ein Preis von 35 Dollar je Feinunze, auf dem privaten Warengoldmarkt wurde die Preisbildung Angebot und Nachfrage überlassen.

Seitdem wird börsentäglich um halb elf und um fünfzehn Uhr Ortszeit in London der Preis der Feinunze fixiert. Seit 1968 ist auch die Dollarparität zum Gold praktisch aufgehoben, 1971 wurde dann offiziell die Goldeinlösepflicht von der Fed aufgehoben. Zwei Jahre später brach das Festkurssystem zusammen und das internationale Währungssystem ging zum Floating über. Gold übernimmt im Währungsgeschehen jetzt nur noch die Funktion einer letzten Reserve für nötige Interventionen durch die Zentralbanken.

Das bereits vom Ökonomen John Maynard Keynes vor dem Zweiten Weltkrieg als „barbarisches Relikt“ bezeichnete Gold ist jetzt nur gefragt, wenn das Vertrauen in die nationalen Papierwährungen niedrig ist und keine attraktiveren Anlagemöglichkeiten, zum Beispiel auf dem Immobilienmarkt in „Betongold“, bestehen. Zu Zeiten des Gold-Devisen- Standards zielte die Geldpolitik darauf, die Goldparität der nationalen Währung aufrechtzuerhalten, um Goldabflüsse aus dem Land zu vermeiden. Dieser Mechanismus stabilisierte die internationalen Wechselkurse. Auch der Pfund-Sterling- Standard mit fester Goldparität vor dem Ersten Weltkrieg funktionierte entsprechend. Eine direkte Bindung der Geldmenge an vorhandene Goldbestände ist jedoch dysfunktional, da das verfügbare Gold jeweils von zufälligen Funden und Produktionsbedingungen abhängt. Einer inflationären Ausweitung der Geldmenge, aber auch einer zu knappen Geldmenge mit depressiven Wirkungen stünden die Notenbanker dann hilflos gegenüber.

Die Zeiten, in denen Gold noch als gängiges Zahlungsmittel genutzt wurde, sind ebenso vorbei wie die Zeiten der Alchimisten. Wären ihnen die Götter günstiger gesonnen gewesen, hätte das Gold seinen Glanz schon früher verloren. Doch ihnen ging es gar nicht um einen stabilen Goldpreis. Beim Gelingen der Umwandlung unedler Metalle in Gold sollten Mikro- und Makrokosmos wieder zu einer mystischen Einheit verschmelzen.

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