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Letzte Geiseln kommen frei

■ Die 1989 im Libanon verschleppten deutschen Geiseln Strübig und Kemptner sollen in diesen Tagen freigelassen werden/ Bonn soll im Gegenzug ein Lösegeld von mehreren Millionen zugesagt haben

Berlin (ap/dpa/taz) — Die Freilassung der vor drei Jahren im Libanon verschleppten Deutschen Heinrich Strübig und Thomas Kemptner hängt nach den Worten des Beiruter Außenministers Faris Buweis nur noch von der Klärung „technischer Fragen“ ab. Strübig und Kemptner sind die letzten westlichen Geiseln im Libanon. Die beiden Mitarbeiter der privaten Hilfsorganisation ASME- Humanitas wurden am 16. Mai 1989 in der libanesischen Hafenstadt Sidon verschleppt. Am Sonntag erklärte Buweit am Rande einer arabischen Ministerkonferenz in Amman, innerhalb weniger Tage werde das Geiselkapitel abgeschlossen sein.

Während das Auswärtige Amt in Bonn die Hoffnung auf eine baldige Freilassung der Deutschen vorsichtig dämpfte, verlautete aus libanesischen Kreisen, daß die Sache so gut wie perfekt sei.

Zuvor hatten die Geiselnehmer, die schiitische Organisation „Mudschaheddin für die Freiheit“, die dem Hamadi-Clan nahestehen sollen, eine Erklärung an die Tageszeitung 'An Nahar‘ geschickt. In ihr wurde erstmals nicht mehr ausdrücklich die Haftentlassung der Brüder Hamadi gefordert. Die Freilassung der Geiseln wurde aber von der Erfüllung „konkreter Zusicherungen“ abhängig gemacht.

Das Problem nähere sich einer „zufriedenstellenden Lösung für alle Beteiligten“, hieß es in der Verlautbarung weiter, der ein Foto Strübigs beigelegt war. Es zeigt den 51jährigen mit eingefallenen Gesichtszügen und einem dichten Bart. Schreiben und Foto werden einem Sprecher des Auswärtigen Amtes zufolge auf dem schnellsten Weg zur Analyse nach Deutschland geschickt.

In dem Schreiben der Entführer wird auf Vermittlungsbemühungen der Regierungen Libanons, Syriens und Irans hingewiesen. Anfang letzter Woche hatte die Bundesregierung noch einmal den iranischen Staatspräsidenten Rafsandschani um eine Vermittlung in der Geiselaffäre ersucht. Die bevorstehende Freilassung der Geiseln soll nun der Iran durchgesetzt haben.

Die „Mudschaheddin für die Freiheit“, die sich im Juli 1989 zu der Entführung der heute 30 und 51 Jahre alten Mitarbeiter von ASME-Humanitas bekannt hatten, präzisierten in ihrer Erklärung am Samstag nicht, welche Art von Zugeständnissen sie erwarten.

Nach Angaben der israelischen Tageszeitung 'Haaretz‘ soll die Bonner Regierung im Gegenzug für die Freilassung ein Lösegeld von mehreren Millionen Dollar versprochen haben. Der Zeitung zufolge hat Bonn auch eine baldige Haftentlassung der Hamadi-Brüder in Aussicht gestellt. Dies sei trotz der Bedenken Washingtons zugesagt worden.

Mohamed Hamadi wurde Anfang 1987 auf dem Frankfurter Flughafen verhaftet, weil er in Weinflaschen flüssigen Brennstoff zu schmuggeln versuchte. Wegen Flugzeugentführung und Mord an einem US-Passagier erhielt er eine lebenslange Haftstrafe. Sein Bruder Abbas, der neben der libanesischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wurde 1988 wegen Geiselnahme zu 13 Jahren Haft verurteilt. Eine vorzeitige Entlassung kann nach deutschem Recht bei Mohammed Hamadi nach 15 Jahren Haft in Erwägung gezogen werden. Sein Bruder Abbas müßte als Voraussetzung dafür zwei Drittel seiner Strafe verbüßen.

Als Hintertür bleibt der Bundesregierung allerdings eine Ausweisung der Brüder Hamadi offen. Abbas Hamadi müßte dafür die deutsche Staatsangehörigkeit ablegen.

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