: »Teufelskreis« für Berliner Kulturszene
■ DIW-Gutachten: Sparmaßnahmen im Landeshaushalt haben drastische Konsequenzen für Kulturbereich
Berlin. Um einen Kollaps des Berliner Landeshaushalts zu verhindern, sind drastische Sparmaßnahmen erforderlich, deren Konsequenzen auch für den personalintensiven Kulturhaushalt der Stadt auf der Hand liegen. Deutliche Einschränkungen in diesem Bereich vorzunehmen, hieße aber, »einen Aktivposten gegenüber anderen Standorten« aufzugeben, wird in einem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) betont. Dies bedeutet einen »Teufelskreis« für die Berliner Kulturszene in den nächsten Jahren.
Das von Kultursenator Ulrich Roloff-Momin in Auftrag gegebene und gestern vorgelegte Gutachten über »Kultur als Wirtschaftsfaktor« weist laut Roloff-Momin darauf hin, daß Kultur für die Stadt ein »nicht zu unterschätzender Wirtschafts- und Standortfaktor« sei und erheblich die Entscheidungen von Unternehmen, Arbeitnehmern sowie Touristen für Berlin beeinflusse.
Insgesamt waren dem Gutachten zufolge im Bereich »kultureller Produktion« 1991 in Berlin rund 30.000 Personen tätig. Innerhalb des Dienstleistungssektors gehöre die Kulturproduktion damit zu den größten Einzelbranchen. Gemessen am sogenannten »Wertschöpfungsbeitrag« waren die Theater im vereinten Berlin 1991 mit rund 400 Millionen Mark die mit Abstand bedeutendste Kulturbranche der Stadt. An zweiter Stelle steht der Bereich Film mit rund 300 Millionen Mark, wobei die Aktivitäten der DEFA in Berlin noch nicht enthalten sind. Im Westteil Berlins expandierte 1990 die Filmherstellungsbranche am meisten.
Zur Frage von Einsparungsmöglichkeiten macht laut Roloff-Momin das DIW deutlich, daß eigentlich nur in den sogenannten freien Kulturaktivitäten kurz- und mittelfristig Einsparpotentiale liegen, die aber gerade einen Aktivposten Berlins darstellten. Auch sei der vom DIW angesprochene Weg zur Erhöhung von Eintrittspreisen »nur beschränkt tauglich«, der zusätzliche Nettomehrerlös stelle »keinen interessanten Einnahmeposten« dar. Ebenso werde gegenwärtig das »Sponsoring« mit ein bis zwei Prozent Anteil bei der Kulturförderung weit überschätzt.
Berlin liegt im Vergleich mit anderen Städten bei seinen Ausgaben für Kultur an »mittlerer Position«, konstatiert das DIW-Gutachten. Frankfurt und Stuttgart geben mit 660 beziehungsweise 344 Mark deutlich mehr Gelder pro Einwohner als Berlin mit 300 Mark aus. Den vereinigten Berliner Kultureinrichtungen standen im vergangenen Jahr rund 1,37 Milliarden Mark zur Verfügung (1989 waren es für West-Berlin 835 Millionen Mark), wozu auch die Mitfinanzierung der Berliner Festspiele oder der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören. Die Hälfte der Summe bestritt das Land Berlin, 37 Prozent der Gelder kamen vom Bund. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen