: Für den kleinen Wissensdurst
■ Rechts der Weser erquicken 22 neue Hinweisschilder die Vorüberziehenden
Gehören Sie womöglich zu denen, die manchmal rein vergnügungsorientiert ins Blockland radeln, ins Werderland oder nach Oberneuland? Seit neuestem kommt richtige Kultur ins Spiel, und das verdanken wir dem Bremischen Deichverband am rechten Weserufer. Der sorgt nämlich nicht nur für überflutete Schlittschuhwiesen, für kaninchenlöcherarme Deiche und funktionierende Zu- und Abflüsse des Weser- und Wümmewassers. Der ökologisch orientierte Deichverband, an den alle Grund- und HauseigentümerInnen jährlich ein Scherflein abtreten, hat 22 Hinweistafeln ausgedacht, gestaltet und aufgestellt. Gerold Janssen, 2. Deichhauptmann, sieht das als „kulturellen Beitrag“ und empfiehlt Schulen, Insitutionen und Initiativen regen Gebrauch in Form von Ausflügen und Lese-Pausen.
Zum Beispiel: der Kuhgraben, an dessen östlicher Seite die legendären Galloways der Bremer Rindergilde ziemlich glücklich aufwachsen. Der Kuhgraben, seit dem 13. Jahrhundert in Urkunden erwähnt, diente damals der Entwässerung der Bürgerweide und bildete einen schiffbaren Wasserweg aus Lilienthal-Borgfeld bis ganz nach Bremen, er hatte eine Verbindung mit dem Dobben, der früher eine Wasserstraße war, und über den ebenfalls schiffbaren Sielwall mit der Weser. Und das ist wahr und steht auf der nagelneuen Hinweistafel.
Beispiel zwei: die Schleuse Dammsiel. „Siel“ nennen die Norddeutschen die Stellen, wo durch einen Deich der Wasserlauf geführt werden muß, mit Tor und meist mit selbsttätigem Verschluß. Hier, zwischen Blockland und St.-Jürgens-Land, wurde 1896 das erste Siel, die erste Schleuse in den Wümmedeich gebaut. Mit einer Zuwässerungsleitung, in der Schleusenkammer verborgen, kann man Frischwasser von der Wümme in die Kleine Wümme und in die Gräben des Blocklandes leiten.
In der Gaststätte Dammsiel gleich neben der Schleuse wurde übrigens seit jeher das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden, lehrt die nächste Tafel. Gebäude und Sommergarten gehören nämlich klugerweise dem Deichverband, denn: Der Wirt und Pächter durfte nie nur den Bierausschank im Kopf haben, sondern mußte immer auch die Schleuse bedienen. Dafür bekam man am Dammsiel schon 1835 das Krugrecht.
Fitzcarraldo mit dem Schiff über den Berg war keine Erfindung von Klaus Kinski! Die 25.000 Torfschiffe, die schon um 1880 herum ihre Ladung nach Bremen brachten, kamen aus dem Teufelsmoor über die Semkenfahrt und den Torfkanal nach Findorff gesegelt, gestakt, getreidelt — und bei der Semkenfahrt mußten sie allesamt mit einem Überzug auf dem Landweg oben über den Deich gezogen werden. Bis endlich 1902 die Schleuse gebaut wurde. Falls Sie sich für Zahlen interessieren: Die entsprechende Tafel an Ort und Stelle verrät außerdem, daß die Schleusenkammer akkurat 21,50 Meter lang und nur 2,40 breit ist, völlig ausreichend für die damaligen Transporte.
Schluß jetzt! Man könnte noch auf historische Orte zu sprechen kommen: auf die Große Brake, wo 1570 der Deich einbrach und die große Flut fast ganz Niederbüren wegriß; auf Hof Kapelle an der Kleinen Wümme, wohin die Bauern in Booten zum Kirchgang schipperten, oder auf die kleinen Schöpfwerke in Gröpelingen, Hemelingen oder Osterholz. Aber eigentlich sind die Deichschilder nicht zum Nacherzählen aufgestellt worden, sondern zum Selbstfinden und Angucken und Nachlesen.
Einige von ihnen sind schon nach ein paar Tagen weggetragen oder zerstört worden, was erstens teuer ist für den Deichverband und den Menschen zweitens bis zum Ersatz interessante Informationen vorenthält: meldet mit der Bitte um Obacht Gerold Janssen. S.P.
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