Selbstorganisierte Projekte gehen in die Offensive

■ Netzwerk legt Liste mit 137 Projekten vor, die nach dem ABM-Einbruch 24 Millionen Mark zum Überleben brauchen

Nachdem die Szene der selbstorganisierten Bremer Projekte bis Ende dieses Jahres über 90 Prozent ihrer ABM-Stellen verlieren wird (vgl. nebenstehenden Kasten), versucht sie jetzt noch einmal in die Offensive zu kommen. Das „Netzwerk Selbsthilfe“ legte gestern eine detaillierte Auflistung aller 137 selbstorganisierten Projekte vor, die nach dem ABM-Einbruch zusammen allein 24 Millionen Mark jährlich zum nackten Überleben brauchten.

Zum ersten Mal hat sich die Bremer Selbstverwaltungsszene damit selbst klar abgegrenzt. Beschäftigungsinitiativen wie die Recyclinghöfe oder die Planungswerkstatt wurden ebensowenig in ihre Liste aufgenommen wie Bürgerhäuser und andere halbstaatliche Einrichtungen. „Alle unsere Projekte sind tatsächlich von unten gewachsen und erfüllen wichtige Funktionen in den Bereichen Beratung, Dienstleistung, Kultur und Bildung“, sagte Netzwerk- Sprecherin Anja Blumenberg. Als größte Gruppe gehören auch die bisher existierenden 50 Bremer Krabbelgruppen zu den selbstverwalteten Projekten. Sie werden keine einzige ABM-Stelle mehr bekommen.

„Wir haben schon immer gefordert, daß wir aus der ABM- Monokultur heraus müssen“, sagte Jobst Pagel vom Gesundheitsladen. Doch an Mittel des Bundes, der EG oder von Stiftungen sei als kleines Projekt mit ein oder zwei hauptamtlichen Kräften kaum heranzukommen. Deshalb fordert das Netzwerk jetzt feste Haushaltstitel zu Einheiten von je 75.000 Mark, die die wegfallenden ABM-Stellen ersetzen sollen. Als Vorbild dient dabei die Förderung der Frauengesundheitsprojekte, die in der Amtszeit von Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger durchgesetzt werden konnte.

Mit großer Wahrscheinlichkeit kommen die selbstverwalteten Projekte allerdings mit ihrer Offensive zu spät. Denn ebenso wie im Bereich der Akademiker- ABM-Stellen ist auch bei den Projektmitteln das Feld schon abgesteckt. Auf 25 Millionen Mark hatten sich die Anmeldungen aller Senatsressorts zu diesem Topf summiert, aus dem allerdings weit mehr zu finanzieren sein wird als nur die selbstverwalteten Projekte. Und noch nicht einmal mit diesem Betrag ist tatsächlich zu rechnen. Senatskanzlei und Finanzsenator haben bereits vor Wochen die entsprechende Vorlage kassiert, um die Summe deutlich nach unten zu drücken. Und obwohl das Thema bereits Ende Mai zur Entscheidung in den Senat kommen sollte, ist bis heute im Koalitionsausschuß keine Vereinbarung über einen Beratungstermin erzielt worden.

Neben der Höhe der zu erwartenden Förderung ist denn auch die größte Sorge der Projekte, daß sie die Enscheidung bis in die Sommerpause hinein verzögern könnte. „Die Zeit läuft uns davon“, beklagte Netzwerk-Sprecher Gunnar Peters gestern, „die Ampel-Koalition hatte jetzt sechs Monate Zeit, auf den ABM-Einbruch angemessen zu reagieren, aber jetzt droht das Thema ganz zu versanden.“ Als direkte Folge müsse dann spätestens im Herbst mit einem großen Projektesterben gerechnet werden.

Ganz besonders dramatisch sei dabei die Situation im Ausländerbereich, für den nur noch drei der 120 Akademiker-ABM zur Verfügung stehen sollen. Während Umwelt-, Kultur-, Sozial- und Frauenprojekte zumindest einen klaren Ansprechpartner im Senat hätten, säßen die Ausländerinitiativen immer wieder zwischen allen Stühlen. Pagel: „Das neue Senatsressort für Ausländerintegration ist offenbar so mangelhaft ausgestattet und inkompetent, daß es deren Interessen nicht durchsetzen kann.“ Ase