: SPD wagt die Machtprobe nicht
■ SPD greift Heckelmann an, Grüne erwägen Mißtrauensantrag/ Schertz will im Amt bleiben/ Verhältnis zum Innensenator »irreparabel«
Berlin. Die gestrige Sondersitzung des Innenausschusses war hochkarätig besetzt, obgleich das Ergebnis in wesentlichen Teilen bereits vorab feststand. Die SPD-Fraktion hatte die Sitzung kurzfristig einberufen, um Klarheit über die Vorwürfe zu erhalten, die Polizeipräsident Georg Schertz gegen Innensenator Heckelmann erhoben hatte. Danach wollte man darüber befinden, wie sie weiter in dem Fall verfährt. Doch war schon im Laufe des Tages aus SPD-Kreisen zu hören, daß der Fall Schertz nicht dazu angetan sei, die Koalition platzen zu lassen. Damit war die Alternative, vor die der Polizeipräsident die Koalitionsführung mit seinem Demissionsbegehren gestellt hatte, beantwortet. Nur um Schertz zu halten, will die SPD nicht den Rücktritt von Innensenator Dieter Heckelmann betreiben.
Die Sozialdemokraten wollen allerdings dem Koalitionspartner die weitere Gestaltung der Polizeiführung nicht alleine überlassen. Auch deshalb standen das Sicherheitskonzept und die bisherige Arbeit Heckelmanns im Mittelpunkt der Debatte in der gestrigen Sitzung. Entgegen allen Gewohnheiten waren die beiden Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsparteien im Ausschuß erschienen, um die Auseinandersetzung zu führen.
Ditmar Staffelt von der SPD betonte erneut, daß Schertz »ordentliche Arbeit für die Sicherheit der Stadt geleistet habe«. Von daher sei es äußerst problematisch, mit den Stimmen der SPD abgewählt zu werden. Dem Innensenator hielt Staffelt vor, die politische Verantwortung für die innere Sicherheit zu tragen. Er habe wenig Verständnis dafür, daß Heckelmann immer darauf verweise, daß ihm die Polizei kein Gesamtkonzept vorlege. Er selbst müsse Konzepte dafür vorgeben. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky hingegen sah »keinen Anlaß für ein Tribunal« gegen den Innensenator. Schertz habe mit seinen Angriffen gegen Heckelmann ein »falsches Verständnis seiner Rolle« gezeigt. Anscheinend gehe er davon aus, mit diesem gleichgewichtig zu sein. Allein dieses Demokratieverständnis sei Grund genug, Schertz' Wunsch zu entsprechen. Einen Anlaß für das Demissionsbegehren mutmaßte Landowsky in den »disziplinarischen Ermittlungen«, die gegen Schertz nun eingeleitet worden seien.
Heckelmann bestätigte, daß sich aus den Akten, die er von der Staatsanwaltschaft zu Schertz' vermeintlichen Stasi-Verquickungen erhalten hat, »Anhaltspunkte ergeben, daß ein dienstrechtliches Verfahren gegen Schertz eingeleitet werden muß«. Da die Akten vertraulich sind, wollte sie Heckelmann nur mit der Einwilligung des Polizeipräsidenten im Ausschuß zitieren. Diese Einwilligung wurde ihm von Schertz nicht gegeben. Er befürchtete, daß Heckelmann einseitig zitieren würde. Deshalb konnte vor dem Ausschuß auch der Sachverhalt nicht geklärt werden, den Schertz als »die Zäsur« in dem Konflikt bezeichnete: daß Heckelmann die Schertz entlastenden Unterlagen nicht zeitig öffentlich gemacht hat.
Zur Überraschung der CDU erklärte Schertz allerdings vor dem Ausschuß, daß er nicht demissionieren werde, wenn bei der Abstimmung im Abgeordnetenhaus nicht die erforderliche Mehrheit zustande kommt. Dies widerspräche, nach Landowkys Äußerungen, den bisherigen öffentlichen Äußerungen. Die wurden von Schertz vor dem Ausschuß zum Teil auch relativiert. Er habe genau beachtet, »daß der Polizeipräsident sich nicht den Innensenator auszusuchen vermag«. Er werde nicht sagen, »er oder ich«. Er habe allerdings kein Vertrauen zum Innensenator mehr und glaube auch nicht, daß der Konflikt noch zu reparieren sei.
Damit dürfte der Konflikt noch geraume Zeit in der Schwebe gehalten werden. Denn von seiten einzelner SPD-Abgeordneter, der Grünen/ Bündnis 90 und PDS wurde erklärt, daß sie Schertz nicht abwählen werden. Grüne/Bündnis 90 und PDS kündigten zugleich an, ein Mißtrauensvotum gegen Innensenator Heckelmann in ihren Fraktionen zu beraten. Dieter Rulff
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