Oskar — Opfer im Regelungsgestrüpp

Lafontaine versucht erneut, diesmal vor der Bonner Presse, das Geflecht aus Gehaltsbezügen, Ruhegeldern und Ausgleichszahlungen zu entwirren — wieder nur mit mäßigem Erfolg  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Oskar Lafontaine versteht, daß die ganze Angelegenheit falsch dargestellt wird. Er selbst hat nämlich Tage damit zugebracht, den komplizierten Sachverhalt zu verstehen, und nimmt gelegentliche Fehlbehauptungen niemandem übel — den 'Spiegel‘ wohl ausgenommen. „Diffamierungskampagne zusammengebrochen“ war ansonsten die Botschaft, die der überraschend angereiste saarländische Ministerpräsident gestern der Bonner Presse verkündete. Eben mit der satten SPD-Mehrheit im saarländischen Landtag vor dem Mißtrauensvotum der Opposition gerettet, ging der unter Bereicherungsverdacht geratene Lafontaine in die Gegenoffensive — oder wollte es zumindest. Aber die Bilanz der parallelen Pressekonferenzen in Bonn und Saarbrücken, wo Beamtenrechtsexperte Battis sein Gutachten vorlegte, lautet bestenfalls: Aussage gegen Aussage. Worum es geht, das verstehe, wer will. Normale Sterbliche jedenfalls werden sich kaum tagelang ins „Regelgestrüpp“ (Lafontaine) der Gehaltsbezüge wahlbeamteter Politiker versenken können.

Gerade das mutete Lafontaine der versammelten Presse erneut zu. Nachdem Statistiken und Graphiken in der saarländischen Landtagsdebatte eher verwirrt hatten, warum Ruhegehaltssockel, Ministerpräsidentenbezüge, Ausgleichszahlungen Oskar zunächst bevorteilt haben, auf Dauer jedoch benachteiligen werden, dasselbe nun in Bonn. Mit gesteigertem Effekt, denn die mittlerweile ins Spiel gekommenen geschiedenen und zu alimentierenden Ehefrauen machen die Angelegenheit noch undurchsichtiger. Einer wollte von Oskar genau wissen, wie das mit den Geschiedenen zu verstehen sei. Jeder normale Mann müsse doch den Unterhalt einfach von seinem Gehalt zahlen, der Politiker etwa nicht — die Bundespressekonferenz artikulierte die wahren Fragen des Volkes. Das Problem ist nur, daß kein Oskar, keiner der ca. 100 Bundestagsabgeordneten, die Ruhestandsgelder beziehen, vernünftig antworten kann. Denn die fatale Mixtur der Politikerbezahlungen durchschauen derzeit weder die Politiker, die deren Vorzüge genießen, noch die Beamtenrechtler, die sie in Verordnungen, Rechtsvorschriften und Bescheide umsetzen. Unterm Strich bleibt, daß sie in jeder Hinsicht und üppig abgesichert sind, unsere beamteten Politiker, und kein finanzielles Lebensrisiko mehr fürchten müssen.

Daß der forsche Lafontaine, der allenthalben den Mut zu neuen Wegen verlangt, Nutznießer dieser satten Alimentation und deswegen geeignetes Opfer einer nahezu unaufklärbaren Enthüllung ist — das will Lafontaine offenbar nicht zur Kenntnis nehmen. Recht zu haben, recht gehabt zu haben — das scheint sein allgemeines Motto zu werden. „Ich habe mich halt gewehrt“, erläuterte er seine überschießenden Reaktionen auf die Enthüllung seiner Gehaltsstruktur. Er sieht sich als „Opfer eines Regelungsgestrüpps, das keiner mehr versteht“. Und schließlich: „Die Frage, ob ich Ausgleichszahlungen erhalte, entscheidet allein die Oberfinanzdirektion, nicht ich.“