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Universitäten: Dornröschen schläft weiter

■ Ob Räte oder Studentenparlament, die Studis läßt das alles kalt/ StudentInnenkongreß stößt auf geringe Resonanz

Essen (taz) — Sie haben bis zur Erschöpfung geackert. 110 Veranstaltungen geplant, Tausende von Plakaten geklebt und die Kongreßzeitung in 200.000er Auflage verteilt. Weil an den deutschen Universitäten der „Frust“ grassiert und „alles so verfahren, so ohne Perspektive ist“, sollte mit dem dreitägigen bundesweiten Kongreß „position“ in Essen ein Neuanfang versucht und der „politische Dornröschenschlaf der StudentInnen endgültig beendet werden“. Der Versuch ging daneben.

Statt der erwarteten 5.000 TeilnehmerInnen registrierte das von den studentischen Organen mehrerer großer Universitäten unterstützte Kongreßbüro am Freitag 300 und am Samstag gerade mal 450 BesucherInnen. Zahlen, die für den 30jährigen Peter Stemmler, einem der Organisatoren, einmal mehr dokumentieren, „daß die Individualisierung und Entpolitisierung“ an den Unis weiter wächst, daß „bei der Talfahrt kein Ende in Sicht ist“.

Die 1,7 Millionen StudentInnen, die sich in die total überfüllten deutschen Hörsäle zwängen, schalten ab, wenn es um die eigene Interessenvertretung geht. „Die wollen nichts mehr damit zu tun haben, mit AStA oder Studentenparlament, die lassen sich alles vorsetzen, weil sie auch sonst alles vorgesetzt bekommen“, lautet das Fazit eines westdeutschen Aktivisten, der sich mit etwa 40 Gleichgesinnten am Samstag abend in einer „Zukunftswerkstatt“ darum bemühte, „neue Perspektiven“ studentischer Interessensvertretung und Zusammenarbeit zu entwickeln. Der Wandel zur Individualisierung war selbst in diesem Kreis augenfällig.

Parteipolitik ist out, mega-out, aber das Neue will nicht wachsen. Der ätzende Ton, das nervige Sendungsbewußtsein parteipolitisch angebundener Aktivisten, das solche Treffen noch vor ein paar Jahren prägte, ist zwar passé, aber auch die betont unideologische Problemlösungsattitüde der in Essen versammelten StudentInnen findet kaum Resonanz.

Vorerst, so eine Stimme aus Hannover, müsse man sich mit dem Einzelkämpferdasein wohl abfinden. Die „Bereitschaft mitzubestimmen und Verantwortung zu tragen“ sei nicht vorhanden. Durch neue Organisationsmodelle könne man dagegen kaum etwas ausrichten, denn das Verhalten spiegele die Krise der Gesellschaft schlechthin wieder. Die These, daß mit Modellen direkterer Demokratie der politischen Passivität begegnet werden könne, stieß in Essen auf viel Skepsis. Die geringe Beteiligung an studentischen Vollversammlungen spreche Bände.

Ein Hoffnungsschimmer kommt aus Karlsruhe. Dort zahlen immerhin 20 Prozent der StudentInnen freiwillig pro Monat acht Mark für ihre Selbstverwaltung. „Beeindruckend“ fand das ein Wastl aus Bayern, denn „daß das politische Bewußtsein so groß ist, daß es noch nicht einmal vor dem Geldbeutel halt macht“, das sei doch ermutigend. Walter Jakobs

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