: Pressefreiheit auf serbisch
In Belgrad wächst der Psychoterror gegen ausländische JournalistInnen/ Zeitungsverbot in Kroatien ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler
Journalistenterror gehört im ehemaligen Jugoslawien zum Alltag. Die Zahl von 26 ermordeten Journalisten seit Ausbruch des Krieges vor einem Jahr spricht für sich. Und doch leben auch jene Korrespondenten zunehmend gefährlich, die sich zur Berichterstattung gar nicht direkt an die Front wagen, sondern nur aus der Distanz, aus Belgrad oder Zagreb, berichten. Letzter Höhepunkt: Am Freitag schossen Unbekannte auf die Belgrader Korrespondentin der Londoner 'Times‘, Dessa Trevisan.
Trevisan ist jedoch nicht die einzige Journalistin, die mit einem alltäglichen Psychoterror zu leben hat. In Belgrad ständig akkreditierte Journalisten klagen seit Wochen über Einschüchterungen. Da werden Autoreifen aufgeschlitzt, Steine gegen Wohnungen geworfen, vor Büros Brandsätze gelegt. Da drohen Unbekannte am Telefon offen mit Mord, sollte der Betreffende weiterhin die „heilige serbische Erde beschmutzen“. Journalisten, die sich nur wenige Tage in Belgrad aufhalten, erhalten in ihrem Hotel Besuch von „einheimischen Journalistenkollegen“, die anfangs höflich, später unmißverständlich klarlegen, wie und was man über Serben zu berichten habe. Und die sich teilweise auch gar nicht scheuen, einen direkt für geheimdienstliche Tätigkeiten anzuwerben.
Anzeichen dafür, daß diese Einschüchterungskampagne offiziell gelenkt wird und nicht von einer Bande radikaler serbischer Freischärler ausgehen, gibt es zahlreiche. Alle eingeschüchterten Journalisten leben nämlich auch unter systematischen Störungen der Telefon-, Fax- und Telexleitungen. Da kann man „plötzlich“ nicht mehr aus dem internationalen Pressezentrum ein internationales Gespräch anmelden, da meldet das Fernamt, die Leitung sei beim Empfänger dauernd besetzt.
Eine Praxis, die jedoch leider nicht nur auf Serbien begrenzt ist. In der letzten Woche startete auch die kroatische Regierungspresse eine heftige Kampagne vor allem gegen angelsächsische Korrespondenten, die sich gegen die Schließung der regimekritischen Wochenschrift 'Danas‘ ausgesprochen hatten. Dabei hatten sie berichtet, daß Präsident Tudjman selbst sich für die Schließung der Zeitung stark gemacht hatte.
Doch nicht nur ganze Zeitungen, auch einzelne Redakteure werden mundtot gemacht. So erhielt Lelena Lovric, eine der bekanntesten Kolumnistinnen Jugoslawiens, eine Anklage wegen „Verunglimpfung des Staates“. Der Grund: In einem Artikel hatte sie gefragt, „was der serbisch-kroatische Krieg außer Leid und Tod gebracht habe“: Wenn Tudjman gegenüber der serbischen Minderheit in Kroatien eine andere Politik eingeschlagen hätte, wenn er ihnen gar das Recht auf Abtrennung ihrer Siedlungsgebiete an Serbien gegeben hätte, dann könnten Kroaten und Serben heute in Frieden leben.
Kein Wunder, daß diese Feststellung den Stolz eines Präsidenten verletzt, der immer wieder beteuert, daß er keinen Zentimeter Kroatiens jemals an den Todfeind Serbien abtreten werde. Da sind ihm die Schlagzeilen regierungsnaher Blätter schon lieber. Im 'Slobodni Tjednik‘ ist zu lesen: „Wir werden den serbischen Faschismus schlagen, Kroatien wird Bosnien befreien.“
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