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Utopien im Schweinestall

Die ostdeutsche Dorfszene diskutiert die Perspektiven ökologischen Landbaus in der Ex-DDR/ Praktische Vorschläge sind gefragt, Rudolf Bahros bäuerliche Utopien schon weniger  ■ Aus Schönnewitz Nana Brink

„Eine starke Energie geht von diesem Ort aus“, versicherte Uwe Haake vom Ostberliner Institut für Sozialökonomie allen Ankommenden und nagelte das Programm für die folgenden drei Tage an die Stalltür. Auf dem ehemaligen Bauernhof in der Nähe von Meißen traf sich am letzten Wochenende die ostdeutsche Dorfszene. Über die Anziehungskraft des malerischen Ortes Schönnewitz konnte sich Haake nicht beklagen: Über 300 Interessierte belagerten mit Zelten und Wohnwagen das Anwesen. Auf Einladung des Instituts und der Heinrich-Böll-Stiftung debattierten sie über „Neue Lebensformen — Ökologische Subsistenzwirtschaft und ihre geistigen Voraussetzungen“.

Beglückt zeigte sich Rudolf Bahro, Begründer des der Humboldt-Universität angegliederten Instituts und Initiator des Treffens, daß vor allem Anhänger der Ökodorf- Szene aus den neuen Bundesländern nach Sachsen gefunden hatten. Dies bestätige ihn, der den Ausstieg aus der „Megamaschine der industriellen Zivilisation“ nimmermüde predigt, in der Überzeugung, daß „gerade in der Ex-DDR überaus günstige Bedingungen für die Suche nach neuen Lebensplätzen da sind — nämlich freigesetzte Kräfte und Materialien im Überfluß“.

Viele der angereisten Studenten, Anhänger der Alternativkultur und die Handvoll ehemaliger LPG-Bauern empfanden ihre meist unfreiwillige Freisetzung vom Arbeitsmarkt nur bedingt als sofortige Chance. „Natürlich bin ich jetzt eher bereit, über alternative Lebensformen nachzudenken“, erzählte der 23jährige Theologiestudent aus Leipzig, „aber die Materialien...“ — und er wandte sich in dem baufälligen Gehöft herum — „... Die sehe ich nun überhaupt nicht.“

So ging es in den Arbeitsgruppen, die sich im Innenhof oder in den Ruinen des Schweinestalles niederließen, oftmals weniger um Bahros Utopien vom Landwirt als Lebenskünstler. Primär hagelte es praktische Fragen: Gibt es Land für ökologischen Anbau? Wer bewirtschaftet schon einen Hof und mit welchen Erfahrungen? Viel beklatscht wurde Bahros leidenschaftliche Philippika auf die Apokalypse der Moderne, mehr Aufmerksamkeit jedoch erregte ein Gast, den man nicht ohne weiteres hier vermutet hätte.

„Meine sehr verehrten Damen und Herren“, begrüßte der Herr im weißen Hemd und Schlips in brütender Hitze die Versammelten, „ich möchte Ihnen zuvor einen herzlichen Gruß des Ministerpräsidenten übermitteln. Er hat mich beauftragt, Ihnen die Unterstützung der sächsischen Regierung anzubieten.“ Daß Hermann Kroll-Schlüter, Staatssekretär im sächsischen Landwirtschaftsministerium und Biedenkopf- Vertrauter, nach Schönnewitz eilte, hatte einen besonderen Grund: Nach einer Diskussion über Auswege aus der ökologischen Krise an der Humboldt-Universität erklärte Ministerpräsident Biedenkopf — ganz aufgeklärter Landesvater — seine Bereitschaft, Projekten, die selbsttragende neue Lebensformen aufbauen wollen, beim Start zu helfen. Sprach's und tat's — in Gestalt seines aufgeräumten Regierungsbeamten.

Kroll-Schlüter kam mit weitreichenden Angeboten, die ihresgleichen in den neuen (wie alten) Bundesländern suchen. Zuvorderst präsentierte er sich als Ansprechpartner und Adressat für alle die Landwirtschaft betreffenden Projekte und versprach, zwischen Gemeinden, Treuhand oder Arbeitsamt zu vermitteln. Modellhaft erklärte er, wie eine Unterstützung des sächsischen Freistaates aussehen könnte: Einer Gruppe von Ökobauern würden als sogenannte „Wiedereinrichter“ von privaten Höfen circa 30 Hektar Land zur Verfügung gestellt, mit einem Pachtvertrag (12 Jahre Laufzeit). Auf Pachtzins würde verzichtet, wenn sich die Bauern verpflichteten, den Hof wiederherzustellen. „Sie müssen uns Ihre Interessen gebündelt auf den Tisch legen und es müssen langfristige Konzepte sein mit festen Ansprechpartnern.“ „Und“, so fügte der Christdemokrat hinzu, „wir sind Ihre Partner, aber wir teilen nicht unbedingt Ihre Lebensauffassung. Wir unterstützen Schilfklärwerke, aber nicht unbedingt Zen-Buddhismus.“

Was vielen als Beginn einer wunderbaren Partnerschaft vorgekommen sein mochte, erfuhr vor Ort hingegen die erste Ernüchterung. Ein Dorfbewohner der anliegenden 200-Seelen-Gemeinde Soppen meldete sich schließlich zu Wort. Ob die Anwesenden denn wüßten, was man sich im Dorf so über das „Buddhistentreffen“ mit Beteiligung des Freistaates erzählt? Daß hier Leute Land und Geld vom Staat und die hiesigen Wiedereinrichter gerade mal einen Traktor bekommen? „Warum kriegen wir nicht unser ehemaliges Land?“ Und habe man in den Gemeinden nichts von diesem Treffen erzählt? Der Staatssekretär beeilte sich zu versichern: „Wir werden dafür Sorge tragen, daß kein Projekt mit unserer Unterstützung entsteht, welches nicht im Einvernehmen mit der Bevölkerung liegt.“

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