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FDP fällt beim Asyl um

■ Liberale wollen Grundgesetzänderung nicht mehr von einer europäischen Regelung abhängig machen

Bonn (ap/afp) —Bei der Diskussion um das Grundrecht auf Asyl schwenkt die FDP auf CDU-Linie um: Die Liberalen wollen der Änderung des Grundgesetzartikels 16 auch schon vor einer einheitlichen europäischen Regelung zustimmen. Das verkündete gestern der Parteivorsitzende Otto Graf Lambsdorf. Nach einer Sitzung von Präsidium und Vorstand der FDP sagte er: Die Frage, ob eine Grundgesetzänderung vor oder nach einer europäischen Lösung erfolge, dürfe „kein ausschlaggebender Gesichtspunkt“ sein.

Bisher hatte die FDP Zustimmung zu einer Grundgesetzänderung, die das Asylrecht nach Artikel 16 einschränken würde, allenfalls nach einer europäischen Einigung in Aussicht gestellt. Zu dem Sinneswandel, so Lambsdorff, hätten die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein geführt. Da hätten politische Kräfte Honig gesaugt, „die wir nicht stärken wollen“.

Der Parteivorstand habe gestern eine kleine Kommission unter Vorsitz von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beauftragt, dem Vorstand eine verabschiedungsreife Vorlage zu unterbreiten. Tendenz sei, „daß wir uns in Richtung auf eine europäische Lösung zu bewegen haben“, unterstrich Lambsdorff. Gleichzeitig forderte der liberale Parteichef ein Ende der Personaldebatte in seiner Partei. Sie fange an, ihn „auch persönlich zu beschädigen“, was er sich nicht länger gefallen lassen werde. Lambsdorff bekräftigte, daß er bis zum Sommer nächsten Jahres im Amt bleiben und im Juni 1993 nicht wieder für den Vorsitz kandidieren wolle. Jede öffentliche Äußerung, er solle es sich anders überlegen, werde genau das Gegenteil erreichen.

Lambsdorff nahm damit vor allem zu Äußerungen des schleswig-holsteinischen FDP-Fraktionschefs, Wolfgang Kubicki, vom Wochenende Stellung. Der hatte die Stimmung in einigen Landesverbänden so eingeschätzt, daß er befürchte, es könne schon Anfang Oktober auf dem FDP-Bundesparteitag in Bremen zum Führungswechsel kommen.

Dagegen berief sich Lambsdorff auf FDP-Kreisvorsitzende aus allen 16 Landesverbänden, die ihm gegenüber dringend ein Ende der Personaldebatte gefordert hätten. An der Bundesvorstandssitzung nahm Kubicki nicht teil. In einer Presseerklärung betonte er, nicht als neuer Generalsekretär in Bonn zur Verfügung zu stehen. Kubicki hatte in den letzen Tagen auch FDP-Generalsekretär Uwe Lühr kräfig kritisiert.

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