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Nica-Kaffee hat schwer zu kämpfen

■ Veranstaltung von »Ökotopia« zum liebsten Getränk der Alternativ-Bewegung

Kreuzberg. Vor Jahren brachte er den Duft der fernen Revolution in zahllose Wohngemeinschaften: Kaffee aus Nicaragua. Das Magengeschwür als Preis für den zu ausgiebigen Genuß der »Sandino-Dröhnung« war für manchen Linken zwar ein schmerzhaftes, zugleich aber verdienstvolles Opfer — schließlich ging es um mehr als die eigene Befindlichkeit. Doch nach der Wahlniederlage der Sandinisten im Frühjahr 1990 hat die Sucht nach dem schwarzen Nica-Produkt stark nachgelassen — trotz weitaus magenschonenderer Produkte wie den »Zarten Sandino« und den biologisch-dynamischen »Sandino Organico«, die inzwischen von den alternativen Handelsgesellschaften »gepa« und »MITKA« angeboten werden. Hans Häge, Mitarbeiter des selbstverwalteten Großhandels »Ökotopia« schätzt, daß allein in Berlin der Verkauf von Nica-Kaffee um 40 Prozent im Vergleich zu früheren Jahren zurückgegangen sei. Dabei hat sich die Situation der nicaraguanischen Kaffeebauern zunehmend verschlechtert, wie der Vortrag von Eddy Lopez, Vertreter der nicaraguanischen Landarbeitergewerkschaft ATC am Dienstag abend im Kreuzberger Café »Vierlinden« verdeutlichte: Um heute in Nicaragua 45 Kilogramm Kaffee zu ernten, seien 75 US-Dollar nötig. Gezahlt werden aber auf dem Weltmarkt nur 70 Dollar. Eine Ausnahme bildet beispielsweise MITKA, zu deren Gründungsmitgliedern unter anderen Ökotopia gehört. Für fast die gleiche Menge zahlen sie 132 Dollar, davon erreichen 80 Dollar direkt den Produzenten.

Neben dem Preisverfall müssen sich die Kleinbauern auch gegen die Rollback-Politik der konservativen Regierung stemmen. Im Juni letzten Jahres, so Lopez, sei ein neues Abkommen über die Landverteilung abgeschlossen worden. Demnach erhalten die Kleinbauern 32 Prozent des Landes, 41 Prozent gehen an die Großgrundbesitzer, der Rest an ehemalige Contras und pensionierte Mitglieder der Streitkräfte. Weitere Konflikte sind jedoch schon vorprogrammiert. Auf 29 Landgütern (Fincas) mit rund 3.500 Bauern seien bisher noch keine Regelungen zur Eigentumsfrage gefunden worden, so Lopez.

Intensive Diskussionen werden derzeit unter den Kleinbauern um die »Betriebe der Arbeiter« (Aerea de Propiedad de los Trabajadores — APT) geführt, die sich auf den von der Regierung zugesicherten Flächen bilden. Verschiedene Modelle seien im Gespräch, um die erworbenen Aktien der APT nicht an Dritte zu veräußern. Lopez sieht darin eine »strategische Bedeutung«. Er hoffe, daß sich auch die abhängigen Bauern auf den Privatgütern der APT anschließen werden. Denn, so Lopez sybillinisch: »Wir Armen haben die Eigenschaft, daß wir einen Farbfernseher wollen, wenn unser Nachbar einen Schwarzweißempfänger hat.« Severin Weiland

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