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Jelzin: US-Gefangene wurden verschleppt

Russischer Präsident bestätigt, daß nach Vietnamkrieg US-Gefangenene in sowjetische Lager verschleppt wurden  ■ Aus Washington M. Sprengel

Die ganze Welt feierte die Einigung des russischen und amerikanischen Präsidenten über eine dramatische Abrüstung ihrer Waffenarsenale. Da schlug die Eröffnung Jelzins wie eine Bombe ein. In einem Interview mit dem Fernsehsender NBC sagte er, jüngst in Archiven entdeckte Dokumente zeigten, daß US-Gefangene aus Vietnam in sowjetische Arbeitslager verschleppt worden seien. Einige von ihnen, so Jelzin, könnten noch am Leben sein. Der russische Gast traf damit genau den Nerv der Amerikaner. Seit den frühen 70er Jahren ist die Nation wie besessen auf der Suche nach Männern, die sie in den Vietnamkrieg schickte und die nie zurückgekehrt sind. Die vage Möglichkeit, daß Soldaten noch irgendwo im Dschungel leben, hat einen Kult entstehen lassen. Dazu gehören auch solche Verschwörungstheorien wie die, daß Washington Informationen über vermißte Kriegskämpfer zurückhält. Immer wieder tauchten mysteriöse Fotos auf, die auf Ähnlichkeiten mit vermißten US- Soldaten untersucht wurden. Doch die neue Hoffnung trauernder Familien endete meist mit bitterer Enttäuschung. Doch das schlechte Gewissen der Nation gegenüber den in Vietnam Vermißten ist groß, nicht zuletzt, weil die US- Truppen in diesem Krieg eine schwere Niederlage hinnehmen mußten. Darüber konnten auch die Erfolge im Golfkrieg nicht hinweghelfen.

Doch es sind nicht allein die Vietnam- Kämpfer, die bis heute vermißt werden. Viele Amerikaner haben noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, daß Kämpfer in Korea oder sogar aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs wieder auftauchen könnten. Jelzins Enthüllungen über die Verschleppung von Vietnam-Kämpfern in die Sowjetunion (er erwähnte darüber hinaus Internierungen von US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg und im Koreakrieg) hat denen rechtgegeben, die von der US-Regierung immer als Phantasten abgetan wurden. Darüber hinaus wurden Befürchtungen bestätigt, daß amerikanische Behörden entsprechende Informationen ignoriert oder sogar unterdrückt haben.

Jelzins Offenheit über dieses unrühmliche Kapitel sowjetischer Vergangenheit wird allgemein als Beleg für seine freundschaftlichen Absichten interpretiert. Möglicherweise wird er sich und seinem Land damit zunächst jedoch keinen großen Gefallen getan haben. In ersten Reaktionen unterstrichen verschiedene Kongreßabgeordnete, daß sie dem Wunsch des Russen nach einem Hilfspaket jetzt erst recht nicht nachkommen könnten. Senator John McCain meinte, bevor man nicht mehr wisse über den Verbleib von US- Soldaten in der ehemaligen Sowjetunion dürfe kein Geld auf russische Konten überwiesen werden. Und damit nicht genug. Da, wie McCain argumentierte, ein Transport von Soldaten aus Vietnam in die UdSSR nicht ohne die Hilfe der vietnamesischen Regierung möglich gewesen sei, müßten Schritte zur Normalisierung der amerikanisch-vietnamesischen Beziehungen bis auf weiteres ausgesetzt werden.

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