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Französisches Falschgeld

■ Der EM-Favorit Frankreich scheidet nach einem 1:2 gegen Dänemark und blamablen Vorstellungen aus

Berlin (taz/dpa) — Die französische Zeitung 'L'Equipe‘ befahl der eigenen Mannschaft „Ab nach Hause!“, und 'France-Soir‘ sah das ganze Land „gedemütigt“. Und an allem schuld war ein Lückenbüßer. Die erst wenige Wochen vor Beginn des Turniers für das ausgeschlossene Jugoslawien nachgerückten Dänen, die entsprechend unvorbereitet antraten, erinnerten an die besten Zeiten des dänischen Fußballs in den 80ern. Damals begeisterten die in ganz Europa verteilt spielenden Legionäre nicht nur die eigenen Fans. Gnadenlos offensiv spielten sie immer wieder die Gegner an die Wand, auch wenn ihnen zu einem großen Erfolg immer der lange Atem fehlte. So zum Beispiel bei der WM 1986 in Mexiko, als die Dänen den späteren Vizeweltmeister BRD in der Vorrunde 2:0 abfertigten, aber anschließend im Achtelfinale ausschieden.

Als hätte der Gastarbeiterhaufen gerade in der Nacht zuvor kollektiv vom 'Danish Dynamite‘ geträumt, wurden die armen Franzosen in der ersten Halbzeit nahezu überrollt. Vor allem Torben Frank, der für den bisher schwachen Schalker Bent Christensen ins Team gekommen war, bereitete der französischen Abwehr arge Kopfschmerzen. Bereits in der siebten Minute gelang Henrik Larsen nach einem katastrophalen Stellungsfehler der Franzosen der Führungstreffer. Dänen-Keeper Peter Schmeichel mußte in den ersten 45 Minuten keinen einzigen Ball halten. Die wenigen Chancen der Franzosen landeten im Toraus. Die Skandinavier selbst hatten in der ersten Halbzeit Chancen für drei oder vier Tore.

Dann kam es, wie es kommen mußte. Den Dänen ging ein wenig die Puste aus, die Franzosen wurden ein wenig stärker. Und wieder war es Jean-Pierre Papin, wie schon im Spiel gegen Schweden, der, nachdem er eine Stunde so gut wie nicht vorhanden war, den Ausgleich schoß. Wenn Papin weiterhin so effektiv die wenigen Chancen nutzt, ist er ohne Zweifel die 20 Millionen wert, die der AC Mailand für ihn abgedrückt hat.

Den immer schlapperen Dänen wollte fortan nicht mehr viel gelingen, und bei den Franzosen wollte der Knoten auch im dritten Spiel nicht platzen. So plätscherte der Kick nach der guten ersten Hälfte auf das in dieser EM-Gruppe nahezu unvermeidliche Unentschieden zu. Doch diesmal war die Gerechtigkeit in Gestalt der Abwehr der Franzosen vor. In der 78.Minute gab eine verpatzte Abseitsfalle dem Dortmunder Flemming Povlsen alle Zeit der Welt, vom rechten Flügel präzise in die Mitte zu flanken, und Lars Elstrup, erst neun Minuten zuvor für Brian Laudrup eingewechselt, brauchte den Ball nur noch über die Linie zu drücken.

Die Franzosen waren danach endgültig von der Rolle und brachten gar nichts mehr zustande. Das gern beschworene Aufbäumen blieb aus, obwohl die Dänen offensichtlich stehend k.o. waren. Die allerletzte Möglichkeit vergab Libero Laurent Blanc in der 88.Minute. Als er aus dem Gewimmel im Strafraum heraus den Ball über die Latte drosch, stand Dänemark völlig überraschend im Halbfinale. to

Dänemark: Schmeichel (Manchester United) - Olsen (Trabzonspor) - Christofte (Bröndby IF), Kent Nielsen (AGF Arhus - 61. Piechnik/ B 1903 Kopenhagen) - Sivebaek (AS Monaco), Larsen (Lyngby BK), Jensen (Bröndby IF), Laudrup (Bayern München - 69. Estrup/ Odense BK), Andersen (1. FC Köln) - Povlsen (Borussia Dortmund), Frank (Lyngby BK)

Tore: 0:1 Larsen (7.), 1:1 Papin (60.), 1:2 Elstrup (78.)

Zuschauer: 25.763

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