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„Raus mit den Mietern!“

■ Deutscher Mieterbund ruft zu Protesten gegen Mieterhöhungen in Ostdeutschland auf/ „Die Mieter sollen für 40 Jahre Zwangswirtschaft zahlen“/ Grundmieten könnten um das Dreifache steigen

Berlin (taz) — „Wir wehren uns: gegen untragbare Mieterhöhungen, gegen Mieterverdrängung durch Mietenexplosion.“ So kündigte der Deutsche Mieterbund (DMB) gestern eine Protestkampagne in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin an. Die Pläne von Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP), die Grundmieten im Osten zu Beginn nächsten Jahres drastisch anzuheben, haben die Mietervereine aufgeschreckt. Eine „beispiellose Mietenexplosion“ befürchtet Gerhard Jahn, Präsident des DMB.

Schwaetzer habe bei den Einkommen der Ostdeutschen „Phantomberechnungen“ angestellt. Die Vorgaben, daß die Mieten in der Ex-DDR zehn Prozent des Einkommens nicht übersteigen sollten, würden schon jetzt nicht mehr eingehalten. „Dies ist alles so unausgegoren“, schimpfte Jahn, „so sehr zum Nachteil der Mieter“, daß dringend mehr Beratungszeit gebraucht werde.

Der Mieterbund hat ausgerechnet, daß die bisherigen Grundmieten bis zum Dreifachen steigen könnten. Statt bisher 1,70 bis 2,30 Mark pro Quadratmeter müßten dann 9,20 bis 11,30 gezahlt werden. Das entspricht Westniveau. „Die Mieter sollen für 40 Jahre Zwangswirtschaft zahlen“, schimpfte Jahn. „Und die Menschen haben keine Ausweichmöglichkeit.“ Skandalös sei der geplante Wiedervermietungszuschlag um ein Drittel der Altmiete — ohne daß der Vermieter gezwungen sei, dies an Sanierungen zu koppeln. Die Haltung der Vermieter sei vorauszusehen: „Raus mit den alten Mietern, denn bei einer Neuvermietung krieg' ich ein Drittel mehr.“

Für Reiner Wild vom Berliner Mieterverein ist das Problem die „Rückgabe vor Entschädigung“-Regelung. Weil die Eigentumsrechte an den Häusern nicht geklärt seien, könnten Besitzer und Wohnungsbaugesellschaften keine Kredite zur Instandsetzung aufnehmen. Die gesamten Sanierungskosten würden auf die Mieter abgewälzt.

Auch der Berliner Bausenator Nagel und sein brandenburgischer Kollege Wolf (beide SPD) haben sich in die Debatte eingeschaltet. Ihr Alternativkonzept sieht eine stufenweise Mieterhöhung für die neuen Bundesländer und Ost-Berlin vor, das im Verhältnis zur Einkommenssteigerung steht. Wie der Mieterbund hoffen die Politiker, daß die Bonner Pläne im Bundesrat gekippt werden. Dort soll am 10. Juli entschieden werden, wieviel die Ostdeutschen in Zukunft für ein Dach über dem Kopf zahlen müssen. bam

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