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Sozialdemokraten krochen zu Kreuze

■ Koalitionsfraktionen sprachen Innensenator Heckelmann das Vertrauen aus/ Mißtrauensvotum der Opposition am Samstag gescheitert/ SPD-Abgeordnete wollen große Koalition nicht gefährden

Berlin. Die Mißtrauensanträge von Bündnis90/ Grüne und PDS gegen Innensenator Heckelmann (CDU) sind am vergangenen Samstag erwartungsgemäß gescheitert. Sämtliche 146 anwesenden Abgeordneten der Koalitionsfraktionen CDU und SPD sprachen Heckelmann das Vertrauen aus. 35 Abgeordnete von Bündnis90/ Grüne und PDS stimmten mit Ja, die FDP-Fraktion enthielt sich geschlossen. Hintergrund der Mißtrauensanträge waren die Intrigen von Innensenator Heckelmann gegen Polizeipräsident Georg Schertz, der in der vergangenen Woche wegen des vollkommen zerrütteten Vertrauensverhältnisses um seine Abwahl gebeten hatte. Daß Heckelmann den Eklat unbeschadet überstand und seine Arbeit nun laut CDU-Fraktionschef Landowsky »unbeeinträchtig fortsetzen« kann, ist den Sozis zu verdanken. Nach ein paar verbalradikalen Angriffen gegen Heckelmann krochen sie bei der Abstimmung brav zu Kreuze, um nur ja nicht die große Koalition zu gefährden.

Was trieb sie dazu? Die SPD-Abgeordnete Barbara Riedmüller-Seel gegenüber der taz: »Ich bin kein Anhänger von Herrn Heckelmann. Wir hatten natürlich kein gutes Gefühl, weil wir meinen, er ist an der Krise um Schertz Schuld. Aber wir wollen ihm nochmal eine Chance geben, weil wir die Regierungskoalition nicht wegen ihm aufs Spiel setzen.« Auf die Frage, was sich Heckelmann denn noch leisten müsse, bis er von der SPD abgewählt wird, erklärte sie: »Noch einen Polizeipräsidenten kann er nicht verschleißen.« Daß die SPD mit dieser Haltung die Politikverdrossenheit fördert, glaubt sie nicht. »Die Menschen in dieser Stadt wissen, daß wir wichtigere Probleme als Personalkrisen haben.« Die SPD- Senatorin für Arbeit und Frauen, Christine Bergmann, erklärte, sie sei »wirklich nicht sachkundig«, was das Problem zwischen Heckelmann und Schertz angehe. Stört es sie nicht, mit dem intriganten Innensenator zu regieren? »Das ist in einer großen Koalition nun mal so.« Der SPD —Landesvorsitzende Walter Momper hat immer noch Vertrauen zu Heckelmann. Das sei eine Frage der Koalitionsdiziplin, »und aus Koalitionsgründen habe ich auch für Heckelmann gestimmt«. Aus der Sicht der CDU sei Herr Heckelmann »ein wichtiger Senator. Wir Sozialdemokraten haben das zu akzeptieren, selbst wenn er gravierende Fehler macht.« Daß in der Stadt großer Unmut über die große Koalition herrscht, bestreitet Momper.

SPD-Vizeparlamentspräsident Tino Schwierzina hat auch »aus vielen Gründen« für Heckelmann gestimmt. »Wir wählen unsere Senatoren selbst ab und nicht auf Antrag der Opposition.« Es sei notwendig, wieder Ruhe in die Stadt und die Polizeiführung hineinzubekommen. »Es war ja nicht nur Heckelmann, sondern ein unglückliches Dreiecksverhältnis zwischen Kittlaus, Schertz und Heckelmann. Man wird noch mehr nachprüfen müssen, was sich wirklich zugetragen hat.« Der ausländerpolitische Sprecher der SPD, Eckhardt Barthel, stimmte gegen den Mißtrauensantrag, obwohl er »kein Vertrauen« zu Heckelmann hat. »Die Alternative wäre der Bruch der Koalition«, begründete er seine Entscheidung. Auch bei anderen Koalitionen habe es schon Mißtrauensvoten gegen Senatoren gegeben, die »mit der Faust in der Tasche abgelehnt wurden, wenn sie von der Opposition kamen«.

Helmut Hildebrandt, SPD-Vorsitzender des Innenausschusses, windet sich um die Frage herum, ob er Heckelmann noch als Innensenator für tragbar halte. Die Frage »Vertrauen ja oder nein« habe sich ihm bei der Ablehnung des Mißtrauensantrags überhaupt nicht gestellt. Entscheidend sei doch vielmehr, daß die Koalition, »gemessen an den Problemen, die die Stadt sonst hat«, nicht wegen eines Polizeipräsidenten zerbrechen dürfe. Aber wäre die Koalition denn wirklich zerplatzt, wenn die SPD unnachgiebig Heckelmanns Rücktritt gefordert hätte? Hildebrandt findet diese Auffassung absurd. Ein Regierender Bürgermeister, der sich in einer Koalitionsregierung vom politischen Gegner vorschreiben ließe, »wann er einen Senator entläßt, kann doch einpacken«. »Einem Parteivorsitzenden, der so agiert, hätte ich empfohlen: Herr Kollege, erstes Semester OSI, Einführung in die Politikwissenschaften.« Die Verfassungslage in Deutschland sei nun einmal so, daß die Fraktionen nach der Wahl die Aufgabe hätten, eine Regierung zu bilden und diese vier Jahre im Amt zu halten. Plutonia Plarre

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