: KEINE MACHT DEN DOOFEN Von Mathias Bröckers
Randy, der freundliche taz- Archivar, hat mir neulich eine Baseball-Mütze geschenkt, genau das Richtige für den tropischen Berliner Sommer. Die Größe („One size fits all“) stimmt ebenso wie die dunkelblaue Farbe, nur das Emblem stört: „Keine Macht den Drogen“ prangt auf der schönen Mütze. Auf einem Sportplatz oder beim Gartenfest des Bundeskanzlers mag ein solches Käppi tragbar sein, hier in Kreuzberg ist es das nicht — selten haben mich soviele Leute so schräg angeguckt. Nun hängt es ungenutzt am Haken; die Parole ist nicht einfach aufgedruckt, sondern mit edlem Faden eingestickt und läßt sich nicht entfernen. Andere Ideen, das Ding irgendwie doch noch zu nutzen, kamen mir nicht, bis die Post letzte Woche ein Buch über Das Recht auf Rausch ins Haus brachte. Herausgegeben von Ronald Rippchen, dokumentiert der Band zwei neue Urteile — des Schweizerischen Bundesrichtshofs und des Landgerichts Lübeck — zum Haschischgebrauch und die Debatte, die sie auslösten. Als Motto fungiert ein Satz des Lübecker Richters Wolfgang Neskovic: „Die gegenwärtige Drogengesetzgebung läßt sich nur deshalb praktizieren, weil in der Bevölkerung ein entsprechendes Informationsdefizit herrscht“ — im Vorwort des Herausgebers heißt es: „Mir erscheint es absurd, daß machtsüchtige Politiker mit einem Faible für Alkohol, Nikotin und Kaffee dem Volk einen relativ harmlosen Genuß verweigern. Das Geschwafel von einer drogenfreien Gesellschaft erscheint mir als nette, aber realitätsferne Gefühlsduselei. Was fehlt, ist das Wissen um den Gebrauch von gehirnaktivierenden Substanzen. Entwicklungshilfe zum wahren Genuß psychoaktiver Mittel ohne Reue. Wissen ist Macht. Keine Macht den Doofen!“ Das ist es. „Keine Macht den Doofen“ löst nicht nur mein Mützenproblem mit einem Schlag — das heißt mit einem dicken Filzstift und der Veränderung von zwei Buchstaben — die Parole kontert auch das ganze Elend der Drogenpolitik aufs beste. Mit den meist flüssigen Drogen, die allein während des EM-Halbfinales vor europäischen Glotzen konsumiert wurden, ließe sich die Dürre in Norddeutschland sofort beheben; daß die ganze Veranstaltung dabei unter der Parole „Keine Macht den Drogen“ segelt — diese Groteske scheint niemanden zu stören. Wenn das nicht Doofheit ist, was dann?
Im selben Verlag wie der Materialien-Band zur Haschischdiskussion (Werner Pieper's Medienexperimente, D-6941 Löhrbach) ist ein weiteres Dokument erschienen, das die Kontinuität der galoppierenden Drogendummheit zeigen kann: die Videofassung von Reefer Madness (Kifferwahn), einem 1938 im Auftrag der US-Drogenbehörde gedrehten Anti-Marihuana-Film. Ein besseres Eigentor als mit diesem Hollywood-Melodram, bei dem ein einziger Zug am Joint geradewegs in sexuelle Ekstasen, schiere Aggressivität und blanken Wahnsinn führt, hat sich die offizielle Drogenaufklärung nie geschossen. Die groteske Verlogenheit dieser Aufklärung macht den Film heute zu einem grandiosen Stück unfreiwilliger Hochkomik — doch er war, und ist, ernst gemeint. Und der Geist der Doofen von damals weht nahezu unverbraucht in den popigen Anti-Drogen-Videos, die nach dem rauschenden Fußballfest zur Ermahnung und Belehrung eingespielt werden, während sich vor Ort besoffene Hooligans prügeln. Gesponsert ist die ganze Übertragung am Ende dann noch von einer Brauerei. Na denn Prost!
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