piwik no script img

KRIEG

■ betr.: "Draußen hören die Bombardements nicht auf" (Auszüge aus einem Telefongespräch mit einer Moslemin in der Nähe von Sarajevo), taz vom 12.6.92

betr.: „Draußen hören die Bombardements nicht auf“ (Auszüge aus einem Telefongespräch mit einer Moslemin in der Nähe von Sarajevo), taz vom 12.6.92

Ihre moslemische Bosnierin hat Sie und Ihre Leserschaft belogen. Die Mehrheit in Vogosca, einem Vorort von Sarajevo, gehört nämlich der serbischen Volksgruppe an. Der Anteil der Moslems an der Gesamtbevölkerung in Vogosca beträgt 29,77Prozent.

Schon am Anfang der kriegerischen Auseinandersetzungen haben die serbischen Milizen dort starke Positionen bezogen, die sich nach wir vor in ihren Händen befinden. Dabei darf man keineswegs vergessen, daß die moslemische Artillerie genauso die serbischen Positionen beschießt und die von ihnen gehaltenen Stadtteile.

Am gleichen Tag, als sich Ihre Zeitung diese Desinformation geleistet hat, wurden bei RTL um 18.45Uhr 19 verstümmelte Leichen serbischer Zivilisten aus dem Dorf Cemerno gezeigt. Darunter war auch ein sechsjähriges Kind. Dieses Dorf liegt nur wenige Kilometer von Vogosca entfernt. Die Täter gehören muslimischen Milizen aus Visoko bei Sarajevo an.

Ihre Zeitung hat schon längst die Partei gegen das serbische Volk in Bosnien bezogen. Die Nachrichten, die die Grausamkeit der von Ihnen favorisierten moslemischen Seite nachweisen könnten, würden die gesamte Konzeption Ihres Blattes über den Haufen werfen. Svetislav Kostic, Hamburg

Die Berichterstattung über den Krieg in meiner Heimat Bosnien,

...verfolge ich regelmäßig auch in Ihrer Publikation. Ich bin der Ansicht, daß der Grausamkeit, Ungerechtigkeit und den Greueltaten dieses Krieges nicht genügend Beachtung geschenkt wird.

Statt dessen werden die diversen Statements der UNO, KSZE etc. permanent wiederholt, zitiert und zum 100sten Male zerredet. Man kann den Menschen nur helfen, indem man schonungslos berichtet über die Grausamkeiten, die dort geschehen. Die Menschen hier wären sicherlich empört, wenn sie lesen würden, daß serbische Freischärler Kinder schlachten, um mit ihren Köpfen Fußball zu spielen. Warum wird nicht über solche Grausamkeiten berichtet, um den hier lebenden Menschen die Augen zu öffnen, um so vielleicht den Leidensweg der armen bosnischen und kroatischen Bevölkerung zu verkürzen.

[...] Wenn ich heute sehe, wie alle Welt dem Grauen zuschaut und nichts unternimmt, überkommt mich die Angst vor der Gleichgültigkeit der Menschheit.

Ich sende Ihnen anbei ein Gedicht, in dem ich mich mit dieser Problematik auseinandersetze. Vielleicht können Sie dieses veröffentlichen und so Ihre Leser anregen, sich ebenfalls damit zu befassen.

Stell dir vor es ist Krieg...

und keiner sieht hin.

Stell Dir vor ein Völkermord...

und es geht immer weiter so fort.

Stell dir vor zerstückelte

Kinderleichen...

und kein Herz läßt sich davon

erweichen.

Stell dir vor die Hungersnot...

Gott sei Dank — wir sind nicht

bedroht.

Stell dir vor Blut, Angst,

Erschrecken...

und wir alle lassen uns nicht

aufwecken.

Stell dir vor Granaten, Bomben

und Heimatlose...

und unsere Ohren hören nicht

das Getose.

Stell dir vor die Massacker in

diesem Land...

ein Urlaubsort weniger

im Reiseband.

Stell dir vor die Tränen, die Angst,

das Zittern...

und keiner erlöst sie aus

ihren Gittern.

Stell dir vor, ich sage „was soll's,

ich hab' meine eignen Probleme“...

glaubt mir, daß ich mich Zeit

meines Lebens dafür schäme.

Jasminka Salihefendic,

Schulzendorf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen