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150 Millionen zuviel an Vermieter

■ Berliner Mieterverein rät, gegen überhöhte Mieten notfalls gerichtlich vorzugehen/ Die Landgerichte als Berufungsinstanz orientieren sich meist am Mietspiegel als ortsüblicher Vergleichsmiete

West-Berlin. Eine zu hohe Miete muß und soll man nicht widerspruchslos hinnehmen, erläuterte gestern der Berliner Mieterverein vor der Presse. »Die hohen Mieten von heute sind der Mietspiegel von morgen«, sagte Vereinsgeschäftsführer Hartmann Vetter. Bei Neuvermietung von Wohnraum im Westteil der Stadt dürfen nur 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete genommen werden. Kann der Vermieter nachweisen, daß er entsprechende Kosten hat — dazu zählen auch Zinsen — so darf die zulässige Miete um 50 Prozent über der Vergleichsmiete liegen. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird durch den Mietspiegel definiert. So urteilen zumindest fünf der sechs Kammern des Landgerichts, der dafür höchsten Instanz. Lediglich die 64. Kammer des Landgerichtes, die zuständig für Berufungsfälle der Amtsgerichte Neukölln und Spandau ist, ziehe statt des Mietspiegels ein — teures — Sachverständigengutachten heran, so Vetter. Eine gerichtliche Überprüfung sei auch nachträglich möglich, erst nach vier Jahren erlösche der Anspruch, zuviel gezahlte Miete zurückzubekommen.

Ein Mieter, der vom Mieterverein vertreten wurde, mußte für seine 35 Quadratmeter große Wohnung 846 Mark Miete zahlen, was fast 24 Mark pro Quadratmeter entsprach. Nach dem Mietspiegel hätte der Vermieter für die Wohnung jedoch nur zwischen 7,78 bis 9,02 Mark pro Quadratmeter verlangen dürfen. Das Landgericht nahm davon den Mittelwert, schlug eine Pauschale für den mitvermieteten Teppichboden darauf und rechnete die 20 Prozent dazu, die die Miete über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Damit betrug die höchstzulässige Miete 13,22 Mark pro Quadratmeter. Der Mann muß mithin nur noch 468,52 Mark im Monat zahlen und spart so 377,48 Mark. Die Prozeß- und Anwaltskosten — die der Verlierer zahlen muß — hätten bei dem Fall etwa 3.000 Mark betragen, so Vetter. Überhöhte Mieten bei Neuvermietungen gibt es nach Schätzungen des Mietervereins bei der Hälfte aller 80.000 neuen Mietverträge, die zwischen 1989 und 1991 abgeschlossen wurden. Wenn jede dieser Mieten nur um zwei Mark pro Quadratmeter überhöht sei, hätten Berlins Vermieter schätzungsweise 150 Millionen Mark an illegalen Mehreinnahmen bekommen, so Vereinsmitarbeiter Armin Hentschel. Der Mieterverein forderte vom Senat, die Wohnungsämter personell zu verstärken, die gegen solche Verstöße vorgehen. Derzeit gibt es dafür dort nur zwei Stellen. esch

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