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Unglaubliche Schlamperei mit sensiblen Daten

■ Beim Koordinierungsausschuß für innerstädtische Investitionen des Senats liegen Disketten und Akten für jeden zugänglich hinter offenen Türen/ Beanstandungen des Datenschutzbeauftragten gegenüber Bausenator/ Opposition fordert Konsequenzen

Berlin. In der Geschäftsstelle des Koordinierungsausschusses für innerstädtische Investitionen (KOAI), eines Senatsausschusses, der milliardenschwere Bauvorhaben vorbereitet, geht es zu wie bei Hempels unterm Sofa. So sieht das der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka, der der Geschäftsstelle in der Behrensstraße am 3. April diesen Jahres einen unangemeldeten Besuch abstattete. Hintergrund dieses Besuchs war der inzwischen bekanntgewordene Makler-Skandal. Makler hatten Adressen von Alteigentümern Ostberliner Grundstücke verkauft. Die Daten dazu stammen möglicherweise vom KOAI.

In der Behrensstraße fand Garstka zunächst — wie er dem Innenausschuß des Abgeordnetenhauses und Bausenator Nagel mitteilte — das Vorzimmer des Leiters unverschlossen vor. Weitere Räume, die über Zwischentüren zu erreichen waren, seien ebenfalls verwaist gewesen. Drei Computer standen einsatzbereit herum, die dazugehörigen Disketten mit sensiblem Datenmaterial befanden sich in Plastikboxen, deren Schlüssel steckten, statt in abgeschlossenen Stahlschränken.

Der Rechner, auf dem sich die Datenbank befand, war nur durch ein »Trivial-Paßwort, das durch hinreichendes Probieren hätte gefunden werden können«, gesichert. Die anderen Rechner waren gar nicht gesichert. Nicht einmal alle Original- Handbücher für die verwandte Software war vorhanden, was, wie Garstka bemerkt, nur dann der Fall ist, wenn Software ohne die notwendigen Lizenzen benutzt wird, sprich: wenn raubkopierte Programme verwendet werden. Daß es keine Viren gegeben habe, sei ein »Glücksfall«. Die Datenbank wurde, so Garstka, von einem Studenten installiert, von dem man nicht wisse, ob er zur Verschwiegenheit verpflichtet worden sei. Weiter fanden sich Akten aus dem Landesamt für offene Vermögensfragen in der Geschäftsstelle, die zwar in einem verschließbaren Schrank aufbewahrt wurden, bei dem allerdings der Schlüssel steckte.

Wieweit das »open house« in der Behrensstraße mit dem Makler- Skandal zusammenhängt, ließ sich nicht klären. Die von Garstka herbeigebetene Mitarbeiterin hatte »keine hinreichenden PC-Kenntnisse«, um solche Datenverknüpfungen zu suchen. Die ausgedruckten Daten wiesen jedoch auf eine Datenstruktur hin, »die die in der KOAI gehaltene Datenbank als Ausgangsbasis für die umstrittenen Maklerlisten nicht ausschließen läßt«, so Garstka.

Nagels Sprecherin Petra Reetz räumte ein, daß die »technischen Details« des Garstka-Berichts nicht falsch seien. Jedoch habe man dies seit April abgestellt. Die von Maklern verkauften Daten könnten jedoch nicht daher stammen, da der KOAI nur Adressen von Grundstückseignern in Berlin-Mitte habe, die besagten Daten wären jedoch aus allen Ost-Bezirken gekommen, so Reetz. Der KOAI war allerdings auch mit Großprojekten in anderen Bezirken betraut, etwa in Treptow, Marzahn, Prenzlauer Berg oder Hohenschönhausen.

Nicht so gelassen reagierte die Opposition. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Grüne, Wolfgang Wieland, sagte, diese »unglaubliche Serie von Sicherheitsmängeln« müsse Folgen haben. Für seine Kollegin Michaele Schreyer ist diese Schlamperei ein Indiz dafür, daß der KOAI praktisch unkontrolliert arbeite. Auch Rolf- Peter Lange von der FDP-Fraktion kündigte ein Nachspiel an. Man werde die verantwortlichen Senatoren vorladen. Eva Schweitzer

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