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„WENN ER EINMAL EINEN FEHLER MACHT...“ Von Andrea Böhm

Sich über Dan Quayle lustig zu machen, ist ziemlich billig, um nicht zu sagen: überflüssig. Wer schießt schon mit Papierkügelchen auf einen, der sein Gesicht gerade in der Torte versenkt hat. Wobei ihm dieses Mal eine Kartoffel zum Verhängnis wurde. Doch andererseits: Danny- Boy ist Vizepräsident der USA — und deshalb mit dem Sitzfleisch potentiell immer auf dem Präsidentensessel, falls George Bush beim nächsten Besuch in Panama mehr als nur Tränengas ins Auge kriegt. Deshalb gibt es in den USA viele besorgte Menschen, die wahrlich keine Anhänger von George Bush sind, aber ob der eben skizzierten Möglichkeit für die Gesundheit des Präsidenten beten.

Das Problem ist nun, daß Danny- Boy Probleme mit der Orthographie, dem Aufspüren geeigneter Verben und dem inhaltlichen Tiefgang hat. Zum Beispiel im Wahlkampf 1988, als er in einer Fernsehdebatte gefragt wurde, was er tun würde, sollte er plötzlich die Aufgaben des Präsidenten übernehmen müssen: „Die Frage ist mir bisher nicht begegnet.“ Eines von Quayles Lieblingsthemen ist der Wert der Familie, der nach seiner Auffassung durch eine Verschwörung von Liberalen, Homosexuellen und Intellektuellen bedroht ist. Aus dem Kapitel „Family Values“ stammt der denkwürdige Ausspruch: „Die Republikaner hegen große Zuneigung für Familien. Ich habe eine — und ich hätte gerne noch mehr.“ Der Mann hat zweifellos die rhetorischen Qualitäten eines Heinrich Lübke.

Und dann kam die Geschichte mit der „potato“. Um dem nationalen Nachwuchs die Tugenden von Familiensinn und Erziehung nahezubringen, hatte sich Dan Quayle in einer Schule in New Jersey eingefunden. Der 12jährige William hatte die Ehre, seinem Vizepräsidenten das bodenständige Wort „potato“ zu buchstabieren. Was der Junge orthographisch korrekt an die Tafel schrieb. „Schön gemacht“, sagte der Vizepräsident, „aber am Ende fehlt noch was.“ Potato schreibe man am Schluß mit e. Was, auf deutsche Verhältnisse übertragen, etwa so aussehen würde: Richard von Weizsäcker läßt sich in einer vierten Klasse das Wort „Kartoffel“ buchstabieren und sagt: „Brav, aber warum habt Ihr das h vergessen?“

Nun sind die USA bekanntermaßen eine Pommes-frites-Gesellschaft, und das Wort „potato“ mag etwas aus der Mode gekommen sein. Weswegen Marilyn Quayle, die Gattin, sauer auf die Medien war: „Wenn er 25 Monate lang jeden Tag fehlerfrei fünf Reden hält, interessiert das keinen. Aber wenn er einmal einen Fehler macht, kommt es ständig im Fernsehen.“ Such is life, Marilyn. Es gibt eben nur wenige Politiker, deren verbaler Output sogar ein Quizbuch füllt. Darin aufgelistet sind 100 Auftritte, Statements, Blackouts und Freudsche Fehlleistungen Dan Quayles. Der Leser darf entscheiden, welche der zur Auswahl stehenden Antworten tatsächlich aus seinem Mund kam. Ready?

Frage: Bei seinem Besuch in El Salvador erklärte Quayle gegenüber Journalisten, die USA werden...

A: „...die Menschenreste wiederherstellen. Pardon, ich meine Menschenrechte.“

B: „...El Salvador dabei helfen, sich zu einem netten Land zu entwickeln, wo man viel Spaß hat und Kinder und Großeltern gerne hinfahren— so wie Florida“.

C: „...sich für die Ausschaltung der Menschenrechte einsetzen“.

Die richtige Lösung ist der erste Buchstabe des Wortes „Cartoffel“.

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