„Satire ist auch Notwehr“

■ Interview mit Simone Borowiak, Deutschlands einziger lebender Satirikerin

Borowiak, Jahrgang 1964, hat fünf Jahre lang als als einziger weiblicher Redakteur beim Frankfurter Satiremagazin 'Titanic‘ gearbeitet. Sie hat es kürzlich verlassen und ihr erstes Buch vorgelegt.

taz: Wie haben sie die Zeit im Herrenmagazin 'Titanic‘ unbeschadet überstanden?

Borowiak: Ob unbeschadet weiß ich nicht, das muß sich erst noch zeigen. Ich habe die Arbeit bei 'Titanic‘ immer als eine sehr angenehme empfunden, denn ich hatte das Glück, auf ziemlich zurechnungsfähige und herzliche Menschen zu treffen. Vor allem die „Elche“, die Alten, zeigten sich sehr wohlwollend dem Nachwuchs gegenüber. Der Umgang unter Satirikern ist schon ziemlich rauh, aber hochsolidarisch.

Warum ist die Satire so ein männlich dominiertes Metier?

Die alte Frage: Warum machen sowenig Frauen Satire. Inzwischen habe ich mir ein bis zwei Theorien zurechtgelegt. Mit der Satire betreibt man etwas, das nicht gerade dazu führt, daß man ernst genommen wird — man macht sich selbst lächerlich. Man zeigt sich dabei eigentlich von der schlechtesten Seite, mit aller Bosheit die einem angeboren oder anerzogen ist. Üblicherweise wird versucht, diese Aggressionen wegzudrücken. Frauen tun das ganz besonders, nicht umsonst sind sie auch selten in Schlägereien verwickelt. Frauen, so wie ich sie kennengelernt habe, neigen eher dazu, etwas verstehen zu wollen, als gleich reinzuschlagen. Das übliche Hinterfragen. Bei Satire macht man ja etwas anderes: man nimmt etwas wahr, ärgert sich darüber und legt los. Dann ist völlig egal, warum jemand soviel Blödheit verspritzt. Dann muß er oder sie eins dafür reinkriegen.

Und die zweite Theorie?

Das war eigentlich schon die Fusion. Man hat als Frau immer noch das Gefühl, daß man mit traniger Lyrik eher ernst genommen wird, als mit brisanter Satire. Die Männer hingegen können sich nun mal sicher sein, der herrschenden Kaste zuzugehören. Sie können aus einer anderen Position heraus agieren. So ist es für sie leichter, die satirische Souveränität zu beweisen, den Mut zum Häßlichen — bei dem das Parkett lacht. Wahrscheinlich wird die Dominanz der Männer auf satirischem Gebiet erst dann aufhören, wenn kein einziger Frauenratgeber mehr verkauft wird. Das wäre die Wende.

Gibt es einen männlichen und einen weiblichen Humor?

Mittlerweile glaube ich das. Früher hätte ich eine solche Theorie strikt abgelehnt und gesagt, daß Humor kein geschlechtsspezifischer Wert ist. Die Reaktionen auf mein Buch waren ziemlich erstaunlich. Bei Frauen waren sie gleich anerkennend und bekennend: Ja, genau! Darüber lachen wir, das finden wir lustig. Die Reaktion der Männer war keineswegs so schulterklopfend, sondern eher distanziert.

Weil Männer nur am Rande vorkommen?

Es geht um Belange, die Männer nicht so stark betreffen oder angreifen wie Frauen. Zum Beispiel Zellulitis oder zu große Kosmetikkoffer. Die Voraussetzung dafür, daß die Frauen hier so boshaft miteinander umgehen, ist eine grundsätzliche Sympathie. Es ist eben ein Unterschied, ob Männer gegenüber Frauen eine Zote reißen, oder Frauen untereinander.

Ich finde, daß in 'Titanic‘ besonders das, was mit Sex zu tun hat, tendenziell frauenfeindlich ist. Kaum daß mal Männer richtig angegriffen werden ...

Frauenfeindlich? Es gibt von Waechter ein Titelbild „Endlich, die Weiber werden wieder normal!“ Das wurde auch immer als frauenfeindlich bezeichnet. Es ist falsch verstanden worden. Es ist doch die Frage, wen man angreift, den Herrn oder den Knecht. In diesem Fall wurden die Männer bloßgestellt. Man vergreift sich nicht am Schwächeren, sondern nimmt sich den Stärkeren vor. So muß Satire sein. Über Opfer scherzt man nicht.

Befassen Sie sich in der Satire lieber mit Männern oder mit Frauen?

Am liebsten ist mir meine 'Titanic‘-Rubrik „Sondermann“, die liebe ich noch mehr als mein Buch. Figuren, die ein Eigenleben entwickeln. Etwa Menschen, die sich in der grotesken Situation befinden, Senioren zu sein und die man in noch groteskere Situationen treibt. Diese ganz, ganz fiktiven, hermetischen Welten, die man aufbauen kann, die einem eine gewisse Sicherheit geben. Es geht doch nur darum, diese Welt zu begreifen, sie zu meistern, in den Griff zu bekommen.

Wie sind Sie überhaupt Satirikerin geworden?

Ich habe mich eine Weile durch die zeitgenössische Literatur gelesen und war immer auf der Suche nach einem Buch, bei dem ich sagen konnte: Das ist es! So muß geschrieben werden! Mangels anderer Anleitungen habe ich mich auf die etablierten Feuilletons verlassen und bin damit nicht gut gefahren. Da wurden einem ziemliche Luschen angedient. Überhaupt kein Leseerlebnis. Durch Zufall habe ich eine 'Titanic‘ gelesen und mich dann dafür interessiert, was diese Autoren denn über das Monatsheft hinaus so gearbeitet haben. Ich habe das ziemlich verschlungen und habe dann mal etwas eingeschickt — nein, ich stand sogar bei 'Titanic‘ vor der Tür und wollte das abgeben. Zu dieser Zeit war gerade Konferenz und auch noch Rosenmontag, und ich hörte kerniges Männerlachen hinter dieser Tür. Da bin ich lieber nach nebenan auf die Hauptpost gegangen und hab' ein Einschreiben aufgegeben, statt mich dem runden Tisch auszusetzen. Mein Text wurde genommen, und weil ich in Frankfurt wohne, wurde mir dann auch nahegelegt an den Konferenzen teilzunehmen. Das war erst mal ganz schön happig, denn ich war lange Zeit auf einer reinen Mädchenschule gewesen. Und nun rutschte ich ins Gegenteil und wurde Redakteurin.

Entstehen die Satiren eher in der Gruppe oder im stillen Kämmerlein?

Sehr viel ensteht in Gruppenarbeit. Jeden Montag ist Konferenz, da wird zusammengehockt und geschnattert und eine grobe Richtung vorgegeben. Entweder sagt dann jemand: Ich übernehm' das und setzt sich allein an sein Tischchen, oder es finden sich lockere Gruppen zusammen. Die arbeiten dann so gut zusammen, daß es ungeheuer zügig vorangeht. Man staunt nur noch: woher kommen denn jetzt eigentlich die Ideen? Wer hat jetzt was gesagt? Das sind die Höhepunkte, wenn es wie von selbst läuft, wenn man sich gegenseitig anstachelt und aufputscht.

Kommen Ihnen die Ideen durchs Lesen oder durchs Beobachten?

Es ist mehr die Beobachtung, der Ärger über bestimmte Situationen, über Belästigungen, denen man ausgesetzt ist. Lange Zeit hat es mir gereicht, über „die größte Einkaufsstraße der Welt“, die Zeil, zu gehen. Augen, Ohren, da wird alles beleidigt. Für mich ist Satire auch Notwehr. Das Zurückschlagenmüssen, weil auf einen eingeprügelt wird. Und seien es auch nur die ganz fiesen Werbetrailer, die einen unablässig verfolgen. Interview: kotte