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Proteste gegen die EG-Agrarreform

Bauern blockieren die Straßen nach Paris/ Mißtrauenserklärung gegenüber traditionellen Gewerkschaften/ Delors: Maximal 700.000 französische Agrarbetriebe können überleben  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Tagelang hatten die französischen Bauern die Blockade von Paris angedroht. Nachdem örtliche Protestaktionen die Regierung nicht beeindruckten, begann in der Nacht zum Dienstag der langsame Marsch der Traktoren auf die Hauptstadt. Obwohl das Innenministerium die Aktion verboten hatte, blockierten rund tausend Traktoren Nationalstraßen und Autobahnen an 15 Stellen in einer Entfernung von 30 bis 50 Kilometern vom Stadtzentrum.

Vom Westen und Süden her war Paris am frühen Morgen kaum zu erreichen. Doch ein Einschnüren der Hauptstadt gelang den Bauern nicht. Das verhinderten auch große Einheiten der Bereitschaftspolizei mit Panzerfahrzeugen, die zuerst die Sperren auf verschiedenen Autobahnen auflösten und dafür sorgten, daß insbesondere die Zufahrt zum Kongreß von Versailles unbehindert war, wo das französische Parlament die zur Annahme der EG-Beschlüsse von Maastricht erforderlichen Verfassungsänderungen beschloß.

Die Wut der Landwirte richtet sich gegen die Reform der europäischen Agrarpolitik, wie sie am 21.Mai in Brüssel entschieden wurde. Die EG will die Preisstützung für Agrarprodukte in den nächsten drei Jahren um ein Drittel abbauen. Unter dem alten System entwickelte sich Frankreich zum größten Produzenten von Getreide, Mais und Rindfleisch in Europa; das Land ist der zweitgrößte Agrarexporteur der Welt nach den USA. Die Preisgarantien führten zu der bekannten Überschußproduktion mit ihren Butterbergen, überquellenden Getreidesilos und Milchseen. Die EG kann diese Überschüsse jedoch nur mit Hilfe hoher Subventionen absetzen, denn auf dem Weltmarkt sind Europas Bauern nicht wettbewerbsfähig.

Die in Brüssel beschlossene Reform will Schluß machen mit dem Anreiz zur sinnlosen Überschußproduktion. Die Zahlungen für die Bauern sollen daher nicht länger an deren Erträge gebunden sein. Stattdessen werden Bauern, die 15 Prozent ihrer Anbauflächen brachliegen lassen, staatliche Hilfen erhalten, die ihre Einkommensverluste ausgleichen. Der Präsident der EG-Kommission, Jacques Delors, räumte jedoch ein, daß sich auch die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe verringern muß: Die Reform erlaube 600.000 bis 700.000 Höfen in Frankreich das Überleben. Eine Fortsetzung der alten EG-Politik hätte nur 300.000 Agrarbetrieben Platz gelassen, sagte Delors. Derzeit gibt es etwa eine Million französischer Bauernhöfe.

Der aussichtslose Kampf der französischen Bauern richtet sich auch gegen Landwirtschaftsminister Louis Mermaz, der der EG-Reform zugestimmt hat. Zugleich haben sie ihren traditionellen Gewerkschaften das Mißtrauen erklärt. Hinter der Blockade von Paris steht eine „Bauernkoordination“, die sich im Dezember nur zu dem einen Ziel gegründet hat: die EG-Reform zum Scheitern zu bringen. Sie wird sowohl von der kommunistischen als auch von der rechtsextremen Bauerngewerkschaft unterstützt. Unter den 7.000 Anhängern der Bauernkoordination befinden sich jedoch auch viele unzufriedene Mitglieder der nationalen Bauerngewerkschaft FNSEA und der Vereinigung der jungen Bauern CDJA. Diese Verbände betrachten die Agrarreform als unvermeidlich und verhandeln derzeit mit der Regierung Beregovoy über ihre Verwirklichung und über konkrete Hilfsmaßnahmen.

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