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Wege zum Glück

■ ... oder Das Geld liegt auf der Straße. Ein Münchener Profi-Grinser schreibt über das Flirten

Wie gut, daß es so viele Probleme gibt, denn sonst müßten einige Autoren mehr am Hungertuche nuckeln. Egal ob Ihr Dackel seekrank ist, die Gattin fremdgeht oder der Rasen welkt, der passende Ratgeber in Form eines Büchleins ist schnell gefunden, und Sie haben zumindest das schöne Gefühl, an diesem oder jenem nicht alleine zu leiden. Nachdem die Beziehungskistenliteratur die Büchertische beschwerte (Sei ein Mann! bzw. Frau sein leichtgemacht, Teil I-VII) und dem Esoterik-Rummel (Wer bin ich?) hat es Peter Hollinger tatsächlich geschafft, ein weiteres Faß aufzumachen. Das Buch trägt den schlichten Titel Flirten, der Autor stellte es in der überfüllten Buchhandlung »Herder« in der Tauentzienstraße vor. [Die sind sich auch für nix zu blöde! d. säzzer] Herr Hollinger, ganz in Schwarz gekleidet, damit der positive Schriftzug »Fun & Sun« auf dem T-Shirt besser zur Geltung kommt, blickt zufrieden in die Runde flirtbereiter Menschen. Die Fangemeinde ist überwiegend weiblich, um die dreißig Jahre alt, und verwendet offensichtlich viel Zeit zur Aufrechterhaltung der äußerlichen Erscheinungsform. Da sitzen keine verklemmten grauen Mäuse, sondern frohgelaunte, offene Männer und Frauen, denen flirten eigentlich nicht so schwer fallen dürfte.

Die Buchpräsentation wäre auch ein Flop gewesen, wenn Hollinger seine Allerweltsweisheiten vorgelesen hätte, die schon vor zwanzig Jahren in der 'Bravo‘ standen. Hollinger ist jedoch ein ausgebuffter Kommunikationsprofi, der Gespräche verkauft und das Gefühl, »da ist einer, der hört mir zu«. »Wenn Sie jemanden in einem Restaurant kennenlernen wollen, wie stellen Sie das an?« fragt er gezielt eine sonnengebräunte Frau, und die erzählt, was ihr dazu alles einfällt: man könne über die Getränke plaudern, nach gemeinsamen Interessen fahnden oder sich tief in die Augen schauen. Hollinger grinst und nickt, grinst und nickt, ja, so ist es richtig. Ein Klacks Psychosenf — »positive Stimmung ist wichtig! Vertrauen ist unheimlich wichtig!« —, einen Schuß Statistik — »Frauen schauen zuerst auf die Hände und Füße der Männer, Männer schauen zuerst in das Gesicht der Frau« —, und schon ist allen leicht ums Herz; gut, daß es den Hollinger Peter gibt.

Seine Flirtanleitungen sind an Originalität nicht zu übertreffen. Wenn Sie mit einem Hundebesitzer anbändeln möchten, rät er zu dem Spruch: »Darf ich Ihre Begleitung zu einem Napf Schappi einladen?« [Auch beim Neuköllner Proleten mit Kampfhund? d. säzzer] Beim Zahnarzt: »Darf ich Sie nach dem Termin zu einem Kamillentee einladen?« In der Kneipe: »Sag mal, haste mich gerade angelächelt oder was ist los?« Im Café: »Meine Lottozahlen sind nicht gekommen. Hast du nicht welche für mich?« Es gibt Menschen, die bezahlen 12,80 Mark für dieses Buch, andere gar 400 Mark für 13 Stunden Flirtunterricht in einer der beiden Flirtschulen, die Hollinger mit großem Erfolg in München und Düsseldorf betreibt. Berlin muß noch ein wenig warten, und das stimmt uns sehr, sehr traurig. Werner

Peter Hollinger, Flirten , mvg-Verlag München, 12,80 Mark.

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