piwik no script img

Es muß etwas geschehen

■ Die UNO sollte die südafrikanischen Sicherheitskräfte überwachen

Es muß etwas geschehen Die UNO sollte die südafrikanischen Sicherheitskräfte überwachen

Der Demokratisierungsprozeß in Südafrika ist bedrohlich in Gefahr geraten. Die eskalierende Gewalt und der Stillstand des Verhandlungsprozesses zwischen der immer noch allein herrschenden weißen Minderheitsregierung und den Anti-Apartheid-Organisationen sind für diese Sitatuion verantwortlich. In beiden Bereichen spielt die weiße Regierung eine zwiespältige Rolle, für den Stillstand der Verhandlungen trägt sie allein die Schuld. Die Befürchtungen der Skeptiker bestätigen sich einmal mehr: Auch die Regierung de Klerk läßt keinen Versuch aus, um die Einführung demokratischer Verhältnisse auf der Basis „ein Mensch — eine Stimme“ zu verzögern.

Gleichzeitig eskalieren die gewalttätigen Auseinandersetzungen in den schwarzen Townships. Die Wurzeln liegen tief, geschaffen durch Jahrzehnte der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Apartheid. Eine bis heute andauernde politische Kultur der Gewalt ist das Ergebnis. Doch auch die Regierung de Klerk spielt eine immer zwiespältigere Rolle. Gezielt oder aufgrund von Rücksichten auf den alten Sicherheitsapparat betreibt sie eine Politik, die für die Tausenden von Toten mitverantwortlich ist. Indizien und Beweise gibt es inzwischen zuhauf. Das Massaker von Boipatong hat das Faß zum Überlaufen gebracht. Die demokratische Opposition kann diesen Zustand — Verhandlungsstillstand und eskalierende Gewalt — nicht länger hinnehmen. Schon 1991 war ein verlorenes Jahr. Befürchtungen bestätigen sich: die politische Isolierung und die wirtschaftlichen Sanktionen sind zu schnell und unkontrolliert aufgehoben oder gelockert worden. De Klerk hat damit bereits ein wichtiges politisches Ziel erreicht. Der Westen hat ein entscheidendes Druckmittel aus der Hand gegeben. Ich glaube, daß wir in dieser Situation nicht länger Zuschauer bleiben können. Die westlichen Länder haben über Jahrzehnte direkt und indirekt die Apartheid gestützt; sie sind daher mitverantwortlich.

Insbesondere die eskalierende Gewalt erfordert ein internationales Eingreifen im Rahmen der Vereinten Nationen. Als ersten Schritt sollte sich der Sicherheitsrat der UNO mit Südafrika befassen und Druck auf die Regierung in Pretoria ausüben. Die wachsende Gewalt und das Verhalten der parteiischen „Sicherheitskräfte“ machen aber auch eine direkte Überwachung notwendig. Eine internationale Beobachtergruppe ist erforderlich, die die Aktivitäten der Sicherheitskräfte untersucht und Empfehlungen für ein weiteres Vorgehen gibt. Notwendig ist eine Art Police Monitoring Force zur Überwachung der Polizei, wie sie beim Unabhängigkeitsprozeß Namibias Erfolg hatte. Die Größe des Landes macht eine umfassende Begleitung des Demokratisierungsprozesses wie in Namibia für die UNO logistisch fast unmöglich. Aber es muß etwas geschehen. Günter Verheugen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen