Ehe, Alkohol und Kassengift

ARD startet um 23.50 Uhr neunmal Powell&Loy im „Dünnen Mann“  ■ Von Manfred Riepe

Ehekomödien, die die Routine im Umgang eines Liebespaares darstellen, galten bis Anfang der 30er Jahre im Kino als Kassengift. Was nach dem Happy-End geschah, wollte kein Mensch wissen: The day after war tabu. Erst der MGM-Regisseur und frühere Griffith-Assistent W. S. Van Dyke, während der 30er Jahre in Hollywood mit durchschnittlich drei Filmen pro Jahr einer der Meistbeschäftigtsten, wagte den bedeutsamen Schritt in den dunklen Kontinent des Ehealltags im Film.

In Manhatten Melodram (1934) hatte Van Dyke festgestellt, daß William Powell, der sich von seiner langen Laufbahn finsterer Schurkenrollen emanzipiert hatte, und Myrna Loy, bislang nur stereotyp als exotisch-böser Vamp fernöstlicher Herkunft besetzt, ungewöhnlich gut harmonierten. Van Dyke überredete das Studio dazu, Dashiell Hammetts Bestseller Der dünne Mann mit den beiden zu verfilmen und erntete zunächst Skepsis. Demonstrativ auseinandergerückte Ehebetten und die ewigen Diskussionen über Rühreier vor dem Einschlafen brachten nicht nur den begriffstutzigsten Zuschauer in der letzten Kinoreihe, sondern auch den Zensoren darauf, daß die beiden ihre Liegestätten nicht nur zum Ausruhen benutzen. Vor allem jedoch der exzessive Alkoholgenuß des Meisterdetektivs Nick Charles, bei dem seine reiche Frau Nora ihm in nichts nachsteht, erregte den Argwohn der an den „Hayes Code“ gebundenen Zensur: Unmoralische Handlungen dürfen nicht von Erfolg gekrönt sein. Nick trank also von Fortsetzung zu Fortsetzung weniger, bis er 1944 in Der dünne Mann kehrt heim nur noch Cider (eine Art Apfelsaft) im Flachmann hatte.

Dabei ist die quirlige Hektik, die die beiden permanent überdrehten Eheleute mit ihrem Erscheinen auslösen, ohne Alkohol gar nicht denkbar. In Der dünne Mann von 1934, mit dem die Reihe heute startet, gibt es eine ewig lange, umwerfend komische Cocktailparty-Szene, in der Partylöwen, frustrierte Reporter und Polizisten alles in sich hineinschütten, was flüssig ist. Mit kurzen, präzisen Antworten hat Nick Charles das Stakkato der Screwball-Dialoge so fest im Griff wie den Cocktail- Shaker. Überhaupt scheint Alkohol sich sehr förderlich auf die phänomenale Kombinationsgabe des Detektivs auszuwirken, der Verbrechen meist im Suff aufklärt.

Die zu lösenden Mordfälle kommen auf den beschwingten Nick Charles jedoch immer zu wie eine lästige Pflicht. Eigentlich hatte der Detektiv die schwerreiche Nora ja nur geheiratet, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Worüber er übrigens in ihrem Beisein herbe Witze reißt. Doch Nora, eine einzigartige Mischung aus Mondänität und Reinheit, ist auf Mordfälle versessen. Sie steht auf den „Kitzel“, wenn sie ihren Mann bei den Untersuchungen in finstere Hinterhöfe begleiten darf. Weil sie diesbezüglich zu vorwitzig ist, wird sie des öfteren in den Schrank gesperrt (das fand die Zensur nicht unmoralisch).

Unschätzbare Hilfe beim Schnüffeln leistet der Foxterrier Asta, der einzige Hund, der im Vorwärtslaufen einen Salto rückwärts schafft. Bis die Eheleute Charles sich jeweils in ein neues Hotel einquartiert, die Koffer ausgepackt und die entsprechenden Alkohol-Bestellungen aufgegeben haben, ist fast die Hälfte des Films vorüber. Das pittoreske Moment rückte mehr in den Vordergrund, ohne daß die Filme damit auf B-Niveau abrutschten. Die Dünner Mann-Filme waren für Powell und Loy Prestigeprojekte, die ihnen bis in den Zweiten Weltkrieg hinein einen Platz unter den zehn beliebtesten Schauspielern Amerikas sicherten.

Spöttisch kühl, oft mit zynischer Beiläufigkeit, werden indes die Morde erörtert wie nie zuvor im US- Film. Die immer schrilleren Fälle löst Nick stets auf die alte, bewährte Art: „Mein Mann macht das immer so“, kommentiert Nora das Ritual, wenn am Ende alle Verdächtigen sich brav im Hotelzimmer der Charles' versammeln, wo sie von Nick so lange provoziert werden, bis jedesmal das Licht ausgeht und der Mörder (einmal ist es der junge knattermimische James Stewart) sich durch einen Schuß verrät. Darauf ist Nora dann besonders scharf.

Der seltsame Titel ist wahrscheinlich eine autobiographische Anspielung auf den schwindsüchtigen Trinker Dashiell Hammett selbst, der für die ersten vier Episoden das Drehbuch verfaßte.