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Erstmals Grüne im Vorstand der ÖTV

Nürnberg (ap) — Die Gewerkschaft ÖTV hat zum ersten Mal ein Mitglied der Grünen in ihren geschäftsführenden Hauptvorstand gewählt. Auf dem Nürnberger Gewerkschaftstag erzielte die 43jährige Braunschweiger Kommunalpolitikerin Ursula Derwein gestern mit 88,75 Prozent das beste Ergebnis der neunköpfigen Führungsriege. Mit der Wahl der gelernten Krankenschwester, die künftig das Ressort Gesundheit und Soziales leitet, ist die ÖTV-Spitze um die Vorsitzende Monika Wulf-Mathies für die nächsten vier Jahre komplett. Der sechstägige Gewerkschaftskongreß, der am Abend zu Ende ging, befaßte sich am Donnerstag auch mit weiteren Anträgen zur Tarifpolitik. Das höchste Beschlußorgan der zweitgrößten deutschen Arbeitnehmerorganisation sprach sich dabei für die Beibehaltung der geltenden Schlichtungsordnung während laufender Tarifkonflikte aus. Zwei Anträge, die auf eine Kündigung der Vereinbarung hinausliefen, wurden abgelehnt. Die seit 1976 geltende Schlichtungsordnung sieht einen Einlassungszwang der Tarifvertragsparteien vor. Das heißt, daß ein Schlichtungsverfahren eingeleitet wird, auch wenn der Unparteiische nur einseitig von einer der beiden Parteien angerufen wird. Der Kongreß räumte in seinen Beschlüssen zur künftigen Tarifpolitik einer weiteren Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auch für die Zukunft hohe Priorität ein. Für die 2,3 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst Westdeutschlands gilt gegenwärtig die 38,5-Stunden-Woche. Neben einer breitestmöglichen Einbeziehung der ÖTV-Mitglieder in die Tarifpolitik wurde auch eine Dezentralisierung und Verlagerung von Manteltarifverhandlungen auf die regionale, örtliche und betriebliche Ebene beschlossen. Sie sollen die zentralen Rahmenvereinbarungen, wie sie etwa bei den großen Einkommensrunden beschlosen werden, ergänzen und konkretisieren. Die Bezirke und Kreisverwaltungen sollen deshalb eigenverantwortliche Tarifkompetenz erhalten. Tarifpolitik müsse künftig sowohl die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lebensvorstellungen der Arbeitnehmer als auch die unterschiedlichen Arbeitssituationen vor Ort berücksichtigen, hieß es. Die verallgemeinernde Wirkung überörtlicher Tarifverträge gehe an vielen betrieblichen Problemen vorbei.

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