: Gala: nicht ganz total normal
■ Hilferuf von Harald Schmidt: „Gala“ mit Berti-Vogts-Methoden / Stars verschlissen
Die Arbeitswütige und ihr Opfer Foto: Wolfram Steinberg
Selten und kostbar sind die Show- Talente im deutschen Fernsehen. Gehätschelt und gepäppelt müssen sie werden. Statt dessen: aufstrebende Stars, die noch dem Welpenschutz unterliegen, werden beim örtlichen Fernsehsender maltraitiert und von Redakteuren im Kreativ-Fieber ausgesogen, bis nur noch eine für die Privaten taugliche, ärmliche Hülle übrigbleibt.
Beispiel: Harald Schmidt. Der vielversprechende Showmaster (35) der ARD soll heute abend in der Radio-Bremen-Sendung „Gala“ wieder ein Feuerwerk von Esprit und Witz entzünden. Über die Medien ließ er gestern einen Hilferuf los. Er klagt über „Berti
Frau und
Mann mit
Zunge raus
-Vogts-Methoden“ bei den Vorbereitungen zu „Gala“. Grund: Die eisenharte Redakteurin Birgitt Reckmeyer opfert den jungen, sympathischen Mann auf dem Altar ihrer Arbeitswut. Harald Schmidt: „Ich soll über den Kampf zum Spiel finden. Die Strategie: taktisches Abtasten mit hängender Spitze.“
Gala wird heute, falls man das durchhält, wieder Überraschendes bringen: Harald Schmidt verleiht den „Goldenen Roland“ an verdienstvolle Selbstdarsteller. An wen? Harald Schmidt: „Das weiß nur Birgitt Reckmeyer. Ich weiß auch noch nichts.“ Exquisite Mischung der Stargäste: Camillo Felgen, Heinz Schenk, Pe
ter Orloff und Norbert Blüm.
Birgitt Reckmeyer, die auch Hape Kerkeling und Margarethe Schreinemakers zu Stars machte, nimmt Harald Schmidt hart ran. Das Opfer: „Ich habe Anfang der Woche nur einen Tag Liebesurlaub bekommen und muß immer um zehn im Bett sein.“ Der Hilferuf ist — wir ahnten es schon — nur ironisch gemeint, denn Birgitt Reckmeyer, die Show-Lokomotive der ARD, lieben alle, weil sie herrlich schräge Sendungen macht.
Sie baute Hape Kerkeling auf („Der hat früher nur blöde Sketche gemacht“) und ist enttäuscht über die nicht ganz total normale Tour, mit der er sich trotz rechtsgültigen Vertrags von seinen vier ausstehenden Sendungen bei Radio Bremen drücken will und sich lieber voll und ganz seinem neuen Arbeitgeber RTL plus widmet. Hat Harald Schmidt, der Hoffnungsvolle, schon Angebote von den Privaten bekommen? „Ich habe keine Absichten. Von den Leuten habe ich auch noch keinen getroffen, der nicht alkoholisiert war.“ Lampenfieber vor dem Einsatz bei „Verstehen Sie Spaß“, was ja bald anläuft? Schmidt: „Eine schwere Bürde. Ich soll ja Nachfolger von Paola werden und mußte im Ledermini proben.“ Warum nicht Nachfolger von Kurt Felix? „Der ist unersetzlich. In der ARD sind alle unersetzlich.“
Die Vorbereitungen für „Verstehen Sie Spaß“, die hohe Schule des Foppens, laufen auf Hochtouren; 50 Filme sind schon gedreht. Harald Schmidt freut sich schon auf 1993. „Dann feiere ich Jubiläum: fünf Jahre Nachwuchstalent. Der WDR macht davon eine Riesen-Nummer. Ab dann bekomme ich auch Honorar. Jetzt gibt es nur Essen und Getränke frei.“ Meint der Mann das wirklich ernst? Ja. Er meint. Dabei schaut er drein wie ein Vertreter der Hamburg-Mannheimer beim Ausfüllen eines Formulars für die Haftpflichtversicherung. Denn damit muß er sich nebenbei Geld verdienen.
Während des Interviews: Birgitt Reckmeyer probiert eine Gummihupe für „Gala“ aus. Wird die auch von RTL-plus abgeworben? Harald Schmidt: „Hupen könen die sich nicht leisten. Die haben nur Pfeifen.“ Lutz G. Wetzel
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