„Erstmal an den Runden Tisch“

■ Irmgard Gaertner muß in der Sozialpolitik passen / 100 Tage Bremer Senatorin

„Natürlich muß auch dieses Ressort gewaltig sparen.“ Mit diesem Satz begann die neue Sozial- und Gesundheitssenatorin Irmgard Gaertner gestern ihre Zwischenbilanz nach den ersten 100 Tagen im Amt. Das Doppelressort könne kaum noch Standards halten, die über dem Bundesdurchschnitt liegen. In zähen Verhandlungen mit den freien Wohlfahrtsträgern und im Senat müßten dagegen alle Sparmöglichkeiten ausgeschöpft werden, um ein Minimum an Gestaltungsspielraum freizuschaufeln.

In den beiden zentralen Themen der Bremer Sozialpolitik ließ Gaertner von Freiräumen und neuen Ideen gestern allerdings nichts erkennen. So wird der Drogenstrich vorerst dort bleiben, wo er ist. Das „Utrechter Modell“, das von Anwohnern und Beirat favorisiert wird, ist definitiv vom Tisch. Irmgard Gaertner: „Der Innensenator und ich sind uns einig, daß das Modell keine Lösung bietet.“ Stattdessen sollen drogenabhängige Prostituierte vorrangig in das Methadonprogramm genommen werden. Und als wäre das Thema nicht seit Jahren immer wieder diskutiert worden, will die Senatorin nach der Sommerpause „erstmal alle Betroffenen an einen Runden Tisch einladen, an dem in Ruhe über das Problem geredet werden kann.“

In der Frage der Unterbringung von Asylbewerbern muß die Senatorin sogar ganz offen die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag verlassen. Von den mühselig ausgehandelten klein dimensionierten Erstunterbringungen ist nichts mehr übriggeblieben. Das Ressort stellt sich auf steigende Zuwanderung ein, außerdem hätten alle Versuche, das Asylverfahren zu beschleunigen, nicht gegriffen. So sei Bremen weiter auf Massenunterkünfte, auch in Containern und Zelten, angewiesen. „An dieser Stelle müssen wir umdenken, mehr kann sich Bremen nicht leisten.“

Als Erfolg verbucht es Gaertner dagegen, daß die Bremer „Dienstleistungszentren“ gesichert sind. Vor einigen Wochen noch klaffte ein Millionenloch bei deren Finanzierung. Die Hälfte der Mittel wurden im Haushalt gesichert, die zweiten 500.000 Mark müssen die Dienstleistungszentren nun selbst einsparen. „Das haben wir im Einvernehmen mit den Wohlfahrtsverbänden festgelegt.“

Ein zweiter Schwerpunkt in der Sozialpolitik hat sich in den ersten Monaten der neuen Senatorin auch schon abgezeichnet. In der Alten- und Behindertenhilfe sollen Mittel von der stationären in die ambulante Betreuung umgeleitet werden — „wo immer das möglich ist, damit die alten Menschen so lange wie möglich zuHause leben können.“ In absehbarer Zeit soll in Bremen-Nord ein Modellversuch starten: Eine geriatrische Abteilung im Zentralkrankenhaus soll in speziellen Rehabilitationsmaßnahmen alte Patienten wieder auf das Leben zu Hause vorbereiten. J.G.