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Kulturlandschaft verwüstet?

■ 25 Millionen Mark Subventionen sollen gespart werden: Theaterchefs malen Horrorvisionen

Die auch im Kulturetat der Stadt anstehenden Kürzungen sieht Ulrich Roloff-Momin als »Solidaritätsbeitrag«, den die Berliner Kultur zu den »unumgänglich notwendigen« Einsparungen im Landeshaushalt beizutragen habe. 25 Millionen muß der Kultursenator im kommenden Jahr einsparen, 1994 sollen es noch einmal 20 Millionen weniger sein. Dabei dürfe jedoch die Berliner Kulturlandschaft nicht »verwüstet« werden. »Und ich traue mir zu, dieses auch unter den jetzigen Sparmaßnahmen leisten zu können« sagte Roloff-Momin am Donnerstag »Pures Entsetzen« packte dagegen Opernintendant Götz Friedrich angesichts eines drohenden »Horrorszenarios«. Kaum war der Vorschlag wieder vom Tisch, die Deutsche Oper an der Bismarckstraße zu schließen (Spareffekt: 80 Millionen Mark), schlägt Haushaltsexperte Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung auch schon die drastische Erhöhungen der (derzeit mit 190 Mark subventionierten) Eintrittspreise vor.

Auch der Intendant des Deutschen Theaters, Thomas Langhoff, spart angesichts der pekuniär prekären Lage seines Hauses nicht mit starken Worten. Nur nach einem (finanziellen) »Machtwort« des Regierenden Bürgermeisters wolle er weiterhin dem Deutschen Theater vorstehen. Ohne die ursprünglich zugesagten Etaterhöhungen für die traditionsreiche Bühne in der Schumannstraße weiß im Deutschen Theater zur Zeit niemand, wie zu Beginn der kommenden Spielzeit ein regulärer Spielbetrieb aufrechterhalten werden soll.

Hermann Treusch, noch Intendant der Freien Volksbühne, ist bereits im Begriff, seine Koffer zu packen. Am 4.Juli macht das Haus an der Schaperstraße als eigenständige Spielstätte endgültig dicht. Ein ursprünglich geplantes »Theater der Nationen« wird es in den nächsten Jahren dort nun doch nicht geben. Dieses nicht unumstrittene Vorhaben sei »jetzt finanziell utopisch«, ließ der Kultursenator wissen. Nach der Sommerpause wird zunächst die Schaubühne am Lehniner Platz mit der Maxim-Gorki-Inszenierung Nachtasyl von Andrea Breth in der Freien Volksbühne gastieren. Im eigenen Hause steht eine Asbest-Sanierung an.

Derweil sucht der Senat für die Freie Volksbühne händeringend einen privaten Betreiber, der die dringend erforderlichen Investitionen von mindestens 7,5 Millionen Mark trägt und anschließend dort ein privates Theater ohne staatliche Zuschüsse betreibt. Musical-König Rolf Deyhle hat bereits Interesse signalisiert, auf der ehemaligen Piscator-Bühne künftig für die Berliner Touristenmassen Phantome of the Opera zu spielen. Meinte Roloff- Momin diese Art von kulturellem Vergnügen, als er zur Zukunft der Freien Volksbühne sagte, »Risikobereitschaft des freien Unternehmertums kann hier Geschäftstüchtigkeit mit Kunst paaren«?

Daß die renommierten Schauspielhäuser der Stadt wie auch die relativ teuren Berliner Philharmoniker ein Aushängeschild der Metropole seien, weiß selbst der Regierende Bürgermeister Diepgen — zumindest konnte er es gerade in einem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) über die Kultur als Wirtschaftsfaktor in Berlin nachlesen. Und so müssen wohl eher die kleinen Privat-Bühnen um ihre Subventionen fürchten: »Es gibt unter den Berliner Privatbühnen jene Häuser, auf die auf keinen Fall zu verzichten ist«, meinte Roloff- Momin, ohne Namen nennen zu wollen, »und es gibt Zuschußempfänger, von denen ich mir vorstellen kann, daß sie auch ohne öffentlichen Zuschuß auskommen können«. Auch bei den bisher üblichen Nachforderungen werde es eine Änderung geben müssen. »Ich kann das aus meinem Haushalt nicht mehr leisten, künftig muß dann gegebenenfalls das Parlament darüber entscheiden.« dpa/kl

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