piwik no script img

Ganz Ghana ist im Berti-Rausch

■ Im afrikanischen Ghana gilt der deutsche Fußball als das Nonplusultra an Effektivität

Accra (taz) — Spätestens seit dem Auftreten der Kameruner bei der WM 90 schwärmt Europa vom afrikanischen Fußball — und Afrika vom europäischen. In Ghana zumindest hat die deutsche Nationalmannschaft eine ungeahnte Popularität. Namen wie Matthäus oder Klinsmann kommen flüssig über afrikanische Lippen, und selbst bei unbekannteren Kickern wie Lothar Sippel werden Vereinsnamen und Position fehlerfrei rezitiert — in Englisch, Twi oder einer der anderen zwölf Landessprachen. Die Qualitäten deutscher Kickerei werden vielfach hervorgehoben: „German Footbaal bokoo“, deutscher Fußball, einfach Spitze.

Natürlich waren die Fernseher beim Spiel gegen Schweden eingeschaltet und alle Plätze besetzt. Wie beim Spiel gegen die GUS, wie auch beim Spiel gegen die Niederlande und die Schotten. Als das deutsche Team ins Finale kam, feierten auch die Ghanaer. Was bringt diese Menschen dazu, eine solche Vorliebe für deutschen Fußball zu zeigen?

Die Antwort liegt womöglich in einem Namen: Hans-Peter Briegel. Das Relikt aus der Pfalz wird mit weitem Abstand der Lieblingsspieler der Ghanaer genannt; Matthäus und Rummenigge weit abgeschlagen. Die Walz aus der Pfalz als Aushängeschild des deutschen Fußballs in Afrika? Fragt man den ghanaischen Fußballgucker nach den Gründen seiner teutonischen Parteinahme, erhält man stets eine ähnliche Antwort. Deutscher Fußball sei geradlinig und effektiv. „Warum nicht Brasilien“, frage ich. „Zu verspielt, zu verweichlicht“, ist die prompte Antwort von M.B. Brimah, Chefredakteur der 'Top Sports‘, Ghanas meistverkaufter Fußballzeitung. Unsere Spieler sterben hier jeden Samstag in Schönheit. Nein, Erfolg ist, was zählt, schnörkellos und effektiv.

Der ghanaische Fußball hat beileibe nichts mit deutscher Wuchtigkeit zu tun. Er ist leichtfüßiger und ballverliebt, liebt Doppelpaßspiel und Soloaktionen. Taktik und Disziplin sind Fremdworte für die Kinder, die das Fußballspielen mit ausgelutschten Orangen lernen. Auch Fußballfelder sind Mangelware. Gespielt wird von Straßenseite zu Straßenseite. Die Mannschaft, die den Ball in die gegenüberliegende offene Kanalisation bringt, gewinnt. Hier werden Ballkünstler geformt.

Den lukrativen „football made in Germany“ können die Ghanaer einmal die Woche im Fernsehen bewundern: Auf Kosten des Auswärtigen Amtes in Bonn werden allsamstäglich die Bundesligaspiele übertragen — Sportschau auch für Afrika. Auch wenn die Spiele mit dreiwöchiger Verspätung präsentiert werden, der ghanaische Fußballinteressierte weiß Bescheid über Bundesliga, Trainer, Tabellenstände und Lothar Sippel.

Die Tatsache, daß Ghanas Beste in Deutschland ihre Stiefelchen schnüren, tut ein übriges. Anthony Jebboah ist so etwas wie ein Volksheld. Drei ghanaische Nationalspieler verdienen in Deutschland ihre Brötchen. Neben Jebboah noch der Wattenscheider Ali Ibrahim und der für Düsseldorf spielende Anthony Baffoe.

Die Krönung der ghanaischen Deutschtümelei ist ihr Bundestrainer: der Deutsche Otto Fister. Die Erwartungshaltung an ihn ist ungeheuer hoch. Sollte sich Ghana nicht zur nächsten Weltmeisterschaft qualifizieren, kann Fister hier seine Koffer packen. Doch wenn Ghana dabei ist, steht der Fahrplan fest: „Dann zeigen wir den Deutschen mal, was guter afrikanischer Fußball ist.“ Golo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen