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Bei der EG siegten die großen Brüder

Vager Abschlußbericht des Gipfels in Lissabon/ Vier ärmste Länder konnten sich nicht durchsetzen  ■ Aus Lissabon Antje Bauer

Zwei Tage, am vergangenen Freitag und Samstag, kreißte der EG-Gipfel in Lissabon, um schließlich eine diplomatische Maus zu gebären. Obwohl das Abschlußkommuniqué in den meisten umstrittenen Punkten äußert vage gehalten ist, sind doch vorherrschende Tendenzen unübersehbar. Anders als von den vier ärmsten Ländern der Gemeinschaft Irland, Griechenland, Spanien und Portugal, gewünscht, wurde das Delors-II-Paket, das eine Verdoppelung der Förderungen an diese Länder vorsieht, nicht verabschiedet — selbst nicht mit der als Kompromißformel vorgeschlagenen Verzögerung um zwei Jahre.

„Der Europäische Rat beschließt, zeitig 1993 in jenen Mitgliedsstaaten, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf geringer als 90 Prozent des Gemeinschaftsdurchschnitts ist, den Kohäsionsfonds einzusetzen. (...) Die akkumulierte Höhe der Struktur- und des Kohäsionsfonds wird den Maastrichter Verpflichtungen entsprechend erhöht werden“, heißt es lapidar im Abschlußbericht. Diplomatenangaben zufolge hatte vor allem Kohl gedroht, falls die von Delors geplante Verdoppelung der Fonds an die vier beschlossen werde, sei die Ratifizierung von Maastricht in Deutschland in Gefahr.

Pikanterweise ist es Kohl gelungen, die fünf neuen Länder in die Reihe der mindestbemittelten Staaten der EG einzubeziehen. Die fünf neuen Länder und Ost-Berlin sollen demnach die gleiche Behandlung erfahren wie die zurückgebliebenen Regionen. Die Erweiterung der EG um die vier EFTA-Länder Finnland, Schweden, Schweiz und Österreich soll vorbereitet werden, bis Maastricht ratifiziert und eine Einigung über Delors II erzielt worden ist. Ob mit der Ratifizierung alle zwölf Mitgliedsländer gemeint sind, läßt der Abschlußbericht vornehm offen.

Einigkeit gab es, das war schon zuvor bekannt, im Willen, Maastricht fortzuführen, „mit erhöhter Geschwindigkeit“ (Kohl), und den dänischen WählerInnen dabei den Weg zu einer Willensänderung offenzulassen. Als Signal in diese Richtung ist der Beschluß des Rates zu verstehen, daß in Zukunft sowohl die Kommission als auch der Rat politische Vorschläge unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität begründen müssen. Es muß also deutlich gemacht werden, warum die vorgeschlagene Maßnahme nicht auf nationaler Ebene beschlossen werden kann. Was passiert, falls die dänischen WählerInnen trotz dieses Zugeständnisses an formaler Demokratie ihre Meinung zu Maastricht nicht ändern, blieb offen. Ebenso wie die Finanz- und die Ratifizierungsfrage blieb auch die Frage der Verteilung der 17 EG-Sitze dem Edinburger Gipfel im kommenden Dezember vorbehalten. Angeblich scheiterte eine Einigung an der Weigerung der britischen Regierung, dem Sitz der Zentralbank in Frankfurt zuzustimmen — sie will diesen Finanzpalast in London angesiedelt sehen.

Beschlossen wurde erstmalig, die UNO in Jugoslawien speziell in der Frage der Versorgung von Sarajevo mit Hilfsgütern notfalls auch militärisch zu unterstützen, „soweit dies (den Mitgliedsstaaten, d. Red.) legal und praktisch möglich ist“. In welchem Rahmen diese militärische Intervention ablaufen soll, wird nicht weiter erläutert (siehe auch Seite 3). Ferner zeigte sich der Rat bereit, die mazedonische Republik des ehemaligen Jugoslawiens anzuerkennen, „unter einem Namen, der den Ausdruck Mazedonien nicht einschließt“. Dieser faule Kompromiß war ein Nachgeben auf das Drängen der griechischen Regierung, die ein Copyright auf den Namen Mazedonien angemeldet hat. Schließlich weigert sich der Rat, Serbien und Montenegro zum augenblicklichen Zeitpunkt als Nachfolgestaat Jogoslawiens anzuerkennen.

Einen „Zwischenbericht“ nannte Kohl das magere Ergebnis des Gipfels und wies daraufhin, daß es anderthalb Jahre gedauert habe, bis die geltende finanzielle Regelung Delors 1 verabschiedet worden sei. Der Rat habe in diesem Halbjahr die Aufgabe gehabt, die Weichen für Edinburg zu stellen. Was wie Musik in den Ohren der Briten klingen mag, war für die Portugiesen eher mager. Die vier ärmsten Länder seien ausreichend berücksichtigt worden, verteidigte Cavaco Silva schwach. Delors, der während des Gipfels gedroht hatte, sein Paket zurückzunehmen, erklärte zum Abschied, die EG-Mitglieder müßten lernen, wie in einer Familie zu leben: Auch dort gebe es ab und zu Auseinandersetzungen. Was er nicht sagte, war, daß sich, wie in allen Familien, die großen Brüder mal wieder durchgesetzt haben.

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