Mickymaus mit Mussolini-Stiefeln

Italiens neuer Regierungschef stellt sein Kabinett vor und bietet Anlaß zur Satire/ Die „Ausgeschlossenen“ rüsten sich zur Rache  ■ Aus Rom Werner Raith

Fast drei Monate nach den Parlamentswahlen wollen es Italiens Regierungsparteien erneut versuchen: Christ- und Sozialdemokraten, Sozialisten und Liberale haben am Wochenanfang dem Programm und der Kabinettsliste zugestimmt, die der vom neuen Staatspräsidenten Oscar Luigi Scalfaro beauftragte Sozialist Giuliano Amato für die 51. Nachkriegsregierung ausgetüftelt hat.

Der Staatsrechtler und Quereinsteiger Amato, 54, war mit der Kabinettsbildung betraut worden, weil sich kein Christdemokrat als mehrheitsfähig erwiesen hatte und andererseits nahezu alle Spitzensozialisten in schwere Korruptionsskandale verwickelt sind. Drei Bedingungen hatte Staatspräsident Scalfaro vorgegeben: massive Reduzierung der — bisher 32 — Ministerien, Besetzung der Ressorts mit Personen ohne Affären sowie ein klar umrissenes Programm. Dessen Hauptaufgaben sollten in der Sanierung des öffentlichen Haushalts, Verfassungsreform und dem Kampf der organisierten Kriminalität liegen.

Amato mühte sich redlich, doch an seinem Bein hingen gleich ein halbes Dutzend Klötze. Bisher hatten sich stets die Parteichefs die Nominierung der Minister und Staatssekretäre vorbehalten. Gleichzeitig hatten sie auch noch die Zuteilung aller anderen attraktiven Ämter ausgemauschelt — von den Managern der Staatskonzerne über die Direktoren der Großbanken bis zur Leitung des Staatssenders RAI. Die schwerste Bürde für Amato jedoch ist seine enge Bindung an PSI-Chef Craxi: Kein einziger Kommentator traut Amato die Kraft zur Unabhängigkeit gegenüber dem Großen Vorsitzenden zu. Karikaturisten zeichnen Amato als Mickymaus — die jedoch viel zu große Stiefel trägt: jene, die die Satiriker bisher dem machthungrigen Craxi angezogen hatten und die vom verblichenen Faschistenchef Mussolini stammen.

Tatsächlich geriet die Präsentation der Ministerliste beim Staatspräsidenten schon zum ersten Fiasko für Amato. Zwar hatte er die Zahl der Ressorts auf 24 gestutzt, doch was er dann vorwies, war für Scalfaro großteils untragbar. Mehr als dreieinhalb Stunden mußte sich Amato einen Kandidaten nach dem anderen entwinden lassen: die einen befand Purist Scalfaro für nicht vertrauenswürdig, andere für unkompetent. Ein Teil der Gerufenen sagte auch ab: vorige Woche beschloß die Leitung der Christdemokraten die Unvereinbarkeit von Ministeramt und Parlamentsmandat, so daß die Aspiranten sorgfältig wählen müssen, ob sie auf die langfristige Klientelverbundenheit als Abgeordneter setzen oder auf die möglicherweise kurze Machtfülle als Minister.

Nun sitzen zwar sieben „außerparteiliche Experten“ im Kabinett, doch keiner davon besetzt Schüsselressorts wie Finanzen, Verteidigung, Justiz oder das Innenministerium. Lediglich das Schatzministerium geriet an einen Außenseiter — aus gutem Grund: das völlig von den Ministerien für Haushalt und Finanzen abhängige Amt bringt dem Inhaber allenfalls Ärger ein. Amato selbst hat sich, 1987-89, ausführlich in diesem Ressort blamiert.

Die größte Hürde hat der Neue jedoch noch vor sich: die Vertrauensabstimmung Mitte/Ende dieser Woche. Da muß er die Rache der vom frugalen Kabinettstisch Ausgeschlossenen fürchten: Sie bringen bereits eifrig ihre „Heckenschützen“ in Stellung. So befehligt der scheidende Ministerpräsident Andreotti, der sich das Außenministerium erhofft hatte und nun mit leeren Händen dasteht, über eine Seilschaft von gut fünfzig Abgeordneten, die er bei geheimen Abstimmungen schon oft gegen mißliebige Gesetze und Kandidaten eingesetzt hat. Tut er das wieder, ist Amato geliefert, bevor er begonnen hat: seine Koalition verfügt nur über gut ein Dutzend Stimmen mehr als die absolute Mehrheit.