: Ein Gesetz gegen die Opfer des Rassismus
■ Morgen tritt das Asylbeschleunigungsgesetz in Kraft/ Sammellager und schnellere Abschiebung
Hannover (taz) — Am morgigen 1. Juli tritt es in Kraft, das „Beschleunigungsgesetz“, das offiziell ganz nüchtern „Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens“ heißt. Es ist die Antwort des Gesetzgebers auf die rassistischen Übergriffe, Anschläge und Morde, die seit gut einem Jahr zum bundesdeutschen Alltag gehören und kaum mehr jemanden erschüttern. Dabei stand für die Alt- Parteienkoalition aus CDU/CSU, FDP und SPD, die den gemeinsamen Entwurf aushandelte, von vornherein außer Frage, daß die Rechte der Opfer des Rassimus ein weiteres Mal beschnitten werden müßten. Zuletzt im Bundesrat verweigerten nur noch Hessen und Niedersachsen (folgenlos) dem Beschleunigungsgesetz ihre Zustimmung.
Kern der Neuregelung bleibt die Unterbringung der Flüchtlinge in großen „Aufnahmeeinrichtungen“, in denen gleich Außenstellen des Bundesamtes zur Anerkennung von Flüchtlingen eingerichtet werden sollen. Die Größe der Sammellager schreibt das Gesetz zwar nicht mehr vor, aber die Flüchtlinge sind verpflichtet, zwischen sechs Wochen und drei Monaten in diesen „Aufnahmeeinrichtungen“ zu leben. Sie müssen während dieser Zeit ständig „für Behörden und Gerichte“ erreichbar sein, dürfen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen.
In den neuen Sammellagern können auch gleich die Gerichte tätig werden. Das Gesetz erlaubt es den Ländern, bei den Verwaltungsgerichten für Asylsachen besondere „Spruchkörper“ zu bilden und deren Sitz frei zu bestimmen. Die Verwaltungsgerichtskammern können den jeweiligen Fall auch durch einen Einzelrichter entscheiden lassen.
Wenn ein Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wird, gibt es künftig nach einer Entscheidung in erster Instanz nicht mehr die Möglichkeit der Berufung. Will ein als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnter Flüchtling durch eine einstweilige Verfügung seine Abschiebung verhindern, so muß er diese innerhalb einer Woche beantragen und innerhalb einer weiteren Woche begründen. Eine ordentliche anwaltliche Vertretung des Flüchtlings wird damit praktisch unmöglich.
Zwingend schreibt das Gesetz für alle jene abgelehnten Asylsuchenden die Abschiebehaft vor, die ohne gültiges Visum in die BRD eingereist sind. Alle Flüchtlinge, die in der BRD einen Asylantrag stellen, müssen sich nach dem „Beschleunigungsgesetz“ künftig einer Erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen.
Daß das neue Gesetz am Ende tatsächlich zu einer „Beschleunigung“ der Asylverfahren führt, wird angesichts des Berges der Verfahren, den das Zirndorfer Bundesamt vor sich her schiebt, mit gutem Grund bezweifelt. Seit das Bundesverfassungsgericht jüngst strengere Maßstäbe angelegt hat, ist die Quote der Flüchtlinge, deren Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wird, auf etwa 30 Prozent gesunken. Gerade diese Flüchtlinge will das Gesetz im Schnellverfahren wieder aus der Bundesrepublik hinauswerfen. ü.o.
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