: Gefährliches Arbeiten in »Halle Naß-Blau«
■ Nach Aufräumarbeiten in der ehemaligen Lackfabrik Lacufa haben Mitarbeiter blaue und schwarze Zähne/ Ätzende Stoffe in Leitungen
Treptow. Auf dem mit Arsen und Zyanid verseuchten Gelände der ehemaligen Ostberliner Lacke- und Farbenfabrik »Lacufa-AG« an der Schnellerstraße werden ABM- Kräfte zu gefährlichen Aufräumarbeiten eingesetzt. Mitarbeiter, die nicht namentlich genannt werden wollen, erklärten gegenüber der taz, daß zahlreiche ABM-Beschäftigte in der »Halle Naß-Blau« am Abend blaue und schwarze Zähne hätten. Aus zahlreichen lecken Rohren würden undefinierbare Tropfen auf die Mitarbeiter herabregnen. Nach Auskunft einer Mitarbeiterin habe es kurz nach Beginn der Arbeiten im April einen Beinahe-Unfall gegeben: »Ein Kollege hat mit einem Schneidbrenner ein Rohr getrennt, und dort strömte Salzsäure aus. Er hatte Glück, daß es seitlich gebrannt hat und nicht über Kopf.« In dieser Halle arbeite man bei mangelnden Sicherheitsvorkehrungen. So seien Plateaus durchgefault und die Zugangstreppen angerostet.
Auf dem Werksgelände sind seit April ABM-Kräfte damit beschäftigt, alte Produktionsanlagen abzubauen. Einen großen Teil des Geländes will die Treuhand nach der Sanierung an private Investoren verkaufen. In der »Halle Naß Blau«, einer hundert Jahre alten Produktionsanlage, demontieren derzeit ABM- Kräfte auf drei Etagen Farbbottiche. Früher wurde hier der blaue Grundstoff für Lacke angerührt. Wie die Mitarbeiterin weiter erklärte, hätten die meisten der eingesetzten ABM- Kräfte »noch nie etwas mit dem Metier« zu tun gehabt. Ein langjähriger Beschäftigter der »Lacufa« sei bereits nach einem Tag abgesprungen: »Er meinte, die Arbeit sei ihm zu gefährlich.« Bei den Arbeiten hätten Mitarbeiter des öfteren Tropfen aus lecken Rohren abbekommen sowie durch eine tiefblau schillernde Pfütze waten müssen, »von der keiner weiß, was da drin ist«.
Ein Anruf der taz setzte am Montag die Geschäftsleitung der Lacufa-AG in helle Aufregung. Bei einem Ortstermin begleiteten gleich fünf zuständige Firmenverantwortliche den Reporter. Gerhart Haferkorn, der nach Pressemeldungen demnächst die Bodenwaschanlage des Betriebes übernehmen soll, räumte ein, daß »ein Laie« beim Anblick der Halle »schon Angst bekommen kann«. Der Chemiker bezeichnete die Schilderung der taz-Informantin als »unwahrscheinlich«. Alle Anlagen, die demontiert würden, seien vorher gründlich gereinigt worden. Außerdem würden die Mitarbeiter alle vier Wochen über Schutzmaßnahmen informiert. Die taz-Informantin erklärte dagegen, die ABM- Mitarbeiter seien nie aufgeklärt worden, welche Stoffe sich in welchen Leitungen befinden. Den Mitarbeitern sei zudem gesagt worden, daß Atemschutzmasken zur Verfügung stünden, falls sie es »für erforderlich« hielten. Ein »Sicherheitshandbuch« von fünf Schreibmaschinenseiten, das dem vor Ort zuständigen Meister und dem Objektleiter zugänglich ist, haben nach Auskunft der taz-Informantin die Beschäftigten nie gesehen. Als sie ihren zuständigen Vorarbeiter fragten, was eigentlich in welcher Leitung sei, kam der von der Geschäftsleitung mit der Information zurück: »Das weiß da keiner.« Martin Jander
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