taz_archiv_9306741663841

AUFREGUNG WEGEN NACKTER AUF DEM TELEFONBUCH

Bockfuß auf Titelblatt

Stockholm (taz) — Viola Östlund war die erste, die Anstoß nahm. Eine Nackte auf dem Titelblatt des Telefonbuchs! Und ein Teufel, noch dazu in welcher Pose!

Viola begann Unterschriften gegen das „widerwärtige“ Machwerk zu sammeln und hatte auch bald 7.500 zusammen. Forderung: Ein neues Telefonbuch muß her. Diesem Volkssturm sah sich die staatliche Telefongesellschaft Televerket nicht gewachsen: Zwar wurde das „widerwärtige Machwerk“ nicht gleich ganz aus dem Verkehr gezogen, doch wer wollte, konnte eine „entschärfte“ Fassung mit einem weißen Titelblatt erhalten. Dabei wollte Televerket ursprünglich etwas gegen die langweiligen Telefonbücher und für einheimische KünstlerInnen tun: Für jeden Telefonbezirk erhielt einE KünstlerIn volle Freiheit und durfte ein Titelblatt entwerfen. In Falun war es Lars Andersson. Er entschied sich für einen nackten weiblichen Rückenakt und einen Faun mit Hörnern und Bockfuß. Aus dem „netten Waldgott“ ohne jegliche böse Absichten wurde ein Teufel — mit eindeutigen Absichten. „Wir geben ja keine Telefonbücher aus, um das Volk aufzuregen“, begründet Tomas Nyland von Televerket resigniert den Rückzug. Aber so ganz privat kann er den Sturm des angeblich so freizügigen schwedischen Volkes nicht verstehen. Auch nicht der Künstler selbst: „Ich habe gehört, daß einige Pfarrer von den Kanzeln wetterten, sie würden das Telefonbuch öffentlich verbrennen. Und daß Televerket vor einigen durchgedrehten Buchverbrennern den Schwanz einzieht, ist traurig.“ Doch für Violas Volksstimme war es auch eine Frage des Prinzips: „Sonst drucken die demnächst noch solche Bilder auf den Milchkartons ab. Und irgendwo muß ja eine Grenze sein.“

Dalun liegt in Dalarna, der Heimat des großen Nationalmalers Anders Zorn. Doch weder dessen noch irgendwessen Nackte werden in Zukunft irgendein Telefonbuch-Titelblatt zieren. „Nach der Erfahrung“, gelobt Tomas Nyland, „muß nicht nur Dalarnas großer Meister auf immer für Dalarna als verbannt gelten.“ Reinhard Wolff