: Ressourcen verknappen: und dann?
■ betr.: "In der Sackgasse", taz vom 23.6.92
betr.: dito
Bernd Ulrichs These, die Ressourcen müssen verknappt werden, um ihrer Verschwendung und der Zerstörung von Lebensgrundlagen entgegenzuwirken, halte ich folgendes entgegen; mit der Verknappung erhöhen sich die Preise, was zwar bei einer Mehrheit der Menschen zu den gewünschten Spareffekten führt (Müll, Energie, Wasser), da sie die Verschwendung einfach nicht mehr bezahlen können. Doch was wird weiter passieren?
Daß sich eine ökonomisch starke Minderheit Luxusgüter und Verschwendung von Ressourcen (Wasser, Boden) weiterhin leisten kann. Diese Auswirkungen sind in Deutschland schon jetzt beim Boden sprich Wohnraum zu beobachten. In den USA gilt das noch mehr für Energie und Wasser (zum Beispiel Las Vegas). Somit wird Ressourcenverknappung und Verteuerung dazu führen, daß eine dünne Oberschicht auf Kosten der Weltbevölkerung (nicht nur in den sogenannten Drittweltländern) lebt. Es sei dringend vor der Naivität gewarnt, daß dies ohne Gewalt abgehen könnte. Was wird passieren, wenn sich zum Beispiel Deutsche nicht nur keine Wohnung mehr leisten können, sondern wenn auch das aufbereitete Trinkwasser so teuer wird, daß Trinken von sauberem Wasser zum Luxus wird? Die Schadstoffe, die schon heute unser Grundwasser vergiften, lassen sich (nach heutigem Erkenntnisstand) nicht mehr entfernen. Und ein Ende der Vergiftung von Boden und Wasser ist nicht abzusehen.
Die Folge der Ressourcenverknappung wird sein, daß sich Reiche, getreu ihrer Bunkermentalität, noch mehr abschotten als bisher. Die ökologisch wie auch sozial schlimmen Folgen dieser Verdrängungs- und Abgrenzungstendenzen sieht man in Amerika. Die Herausbildung von geschützten Vorstädten oder Gemeinden, dafür den teilweisen Verfall von Großstädten und der Infrastruktur des Landes. Die Entnahme von Wasser zu Lasten der Grundwasserreserven, Flüsse oder Seen um den Preis der Austrocknung und Verödung ganzer Landstriche. Wer auf die Einsicht von Eliten, ob ökonomischen oder geistigen, setzt, gibt sich Illusionen hin.
Dazu paßt, daß trotz Wegfall der Ost-West-Konfrontation ein zunehmender Rigorismus bei den führenden Wirtschaftsnationen zu beobachten ist, alles zu kontrollieren. Die Datensammlungswut einiger Geheimdienste könnte sich für besagte Eliten noch als äußerst nützlich erweisen. Teils untergründig, teils offen, wird an Programmen gebastelt, wie man große Volksmassen in Schach hält — nicht nur in LA. Menschenleben spielen keine Rolle, sie wachsen wieder nach.
Mit noch viel größerer Skepsis und mit Erschrecken, daß Eliten ihr Vormachtdenken aufgeben werden, sollte der „Heidelberger Appell“ erkennen lassen, daß Pläne zur Ressourcenverknappung kaum durchführbar sind. Besagter Appell, unterzeichnet von führenden WissenschaftlerInnen (unter anderem auch Nobelpreisträgern), zeigt die Wirkung von „Ressourcenverknappung“, nämlich in Form von Forschungsgeldern und Prestige. Nicht ihr verständlicher Frust über Prestigeverlust ist erschreckend, sondern daß sie, wider besseres Wissen, die Folgen der ökologischen Mißwirtschaft bestreiten beziehungsweise als Horrorszenarien abqualifizieren. Das ökologische Grundrauschen, das Ulrich beschreibt, führt nach ihrer Ansicht zu Wissenschafts- und Technologiefeindlichkeit und demzufolge zur Stagnation von wissenschaftlicher Forschung und Fortschritt. (Welchen Fortschritt sie wohl meinen?)
Schon vor längerer Zeit habe ich (in einer Fachzeitschrift) die Zielrichtung bestimmter Forschungen, Institute sowie der Mittel, die dafür bereitgestellt werden, kritisiert. Anstatt Milliarden für die Atomtechnologie, die bemannte Raumfahrt oder gentechnische Menschenverbesserung (Genomprojekt, IVF o.ä.) auszugeben, sollten die Forschungskapazitäten zum Nutzen der Menschen (und zwar aller) und zur Erhaltung der Lebensgrundlagen auf der Erde genutzt werden (globale Bevorzugung ökologischer und sozialer Forschungsprojekte inklusive Forschung zu erneuerbaren Energien und Energieeinsparung).
Wie also sollen NormalbürgerInnen in den Industriestaaten zur Einsicht in Verzicht oder Einschränkung gebracht werden, wenn dies schon bei den geistigen Eliten dieser Welt an Grenzen stößt? Sie haben weitaus mehr zu verlieren als die sogenannten Eliten. Es klingt paradox; doch mit den Bildern der im Müll lebenden Menschen auf der Südhalbkugel und des globalen Flüchtlingselends im Kopf, haben sie mehr zu verlieren als nur ihr Prestige — nämlich ihren (Noch-)Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben.
Schon aus den genannten Gründen wird sich die Idee einer Ressourcenverknappung, so evident sie sein mag, nicht verwirklichen lassen. Es genügt schon die Vorstellung, was passierte, sollte das nicht vermehrbare Gut Land, durch die Änderung des Bodenrechts, der (globalen) Spekulation entzogen werden. Pessimismus ist deshalb angebracht. Doch daraus darf keinesfalls Resignation gegenüber den gewaltigen Problemen werden! Renate Helling, Ost-Berlin
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