UNO-Flagge über Airport Sarajevo

■ Die ersten fünf französischen Transportflugzeuge sind gestern in Sarajevo gelandet/ Interventionsvorbereitungen laufen weiter/ Wörner sieht in Nato die richtige Interventionstruppe

Berlin (dpa/afp/taz) — Können die Bewohner Sarajevos aufatmen? Zunächst einmal ja. Immerhin haben am Dienstag die Waffen geschwiegen. Und fünf französische Flugzeuge konnten landen. Die 15 Tonnen Medikamente und die elf Tonnen Lebensmittel werden dringend gebraucht. Selbst wenn noch unklar ist, wie diese Güter verteilt werden sollen, so ist allein schon die Tatsache, daß die Maschinen landen konnten, von großer psychologischer Auswirkung. Auch der Umstand, daß noch für gestern nachmittag 1.200 kanadische UNO-Soldaten in Sarajevo erwartet wurden, gibt den Menschen Hoffnung. Es handelt sich dabei um die Einheit, die bisher in der kroatischen Stadt Daruwar stationiert war.

Die Entsendung der UNO-Truppen nach Sarajevo war durch eine Resolution des Weltsicherheitsrates am Montag abend in New York möglich geworden. Die Entscheidung fiel einstimmig aus, nachdem gesichert war, daß sich die serbischen Milizen vom Flughafen zurückziehen würden. Als am Montag abend die letzten Panzer den Flughafen verlassen hatten, wurde die Flagge der UNO auf dem Gebäude gehißt. Allerdings haben sich die serbischen Truppen nicht sehr weit entfernt. Sie haben sich also nicht der ursprünglichen Bedingung, die schweren Waffen aus einem Umkreis von mindestens 30 Kilometern zu entfernen, gebeugt. Doch immerhin haben sie sich aus dem unmittelbaren Umkreis zurückgezogen.

Militärintervention immer wahrscheinlicher

Der Serbenführer Bosniens, Karadzic, war also klug genug, nachzugeben. Denn die Diskussion um eine Militärintervention in Bosnien-Herzegowina ist keineswegs abgeebbt. Es muß den serbischen Militärs klar sein, daß wenn die UNO-Truppen unter Beschuß geraten, eine militärische Intervention unvermeidbar wäre. Die Blauhelme werden sich nicht mehr vom Flughafen verdrängen lassen, hieß es dazu in New York. Und weiterhin besteht die Frage, was die UNO-Truppen tun werden, wenn Sarajevo befriedet, aber die umliegenden Gegenden weiter im Krieg versinken werden. Auch gestern tobten Kämpfe in Nord-Bosnien, wo serbische Truppen mit einer Offensive begonnen haben.

Nun hat auch die Türkei einen internationalen Militäreinsatz befürwortet. Der türkische Außenminister Hikmet Cetin betonte am Montag bei einem Besuch in Wien, er sehe darin die einzige Chance, das Blutvergießen zu beenden. Die 48 UNO- Mitglieder, die sich dem islamischen Lager zugehörig fühlen, hatten diese Forderung schon seit längerem erhoben. Auch die Miitärexperten der WEU überlegen, wie sie sich am besten im Falle eines Falles einbringen könnten. Am 2. und 3. Juli in Rom wollen sie Möglichkeiten für eine Seeblockade gegen die Föderative Republik Jugoslawien, also gegen Serbien und Montenegro, ausarbeiten. Nato-Geneneralsekretär Wörner hatte am Montag in Brüssel von den „Möglichkeiten“ der Nato gesprochen, militärisch in den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien einzugreifen. Zugleich unterstrich Wörner, ein solcher Eingriff könne nur im „Auftrag der Vereinten Nationen“ erfolgen. Außerdem bedürfe er der Zustimmung aller 16 Nato- Mitgliedstaaten. Wörner bezeichnete die Nato als die „einzige internationale Organisation“, die über die „tatsächliche“ Fähigkeit zu einem Militäreinsatz verfüge.

UNO-Luftbrücke beginnt

Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen in Genf (UNHCR) bereitet eine Luftbrücke vor. Es sollen insgesamt 5.700 Tonnen Versorgungsgüter in die bosnische Hauptstadt geflogen werden. Das bedeute bei einem Ladevolumen der von den USA, Großbritannien und Norwegen angebotenen Transportmaschinen zwischen zwölf und 19 Flüge pro Tag. Eine Lastwagenkolonne mit 104 Tonnen Hilfsgüter sollte noch am Dienstag Belgrad verlassen. Die EG kommt für die Kosten der Hilfsaktion auf. In Belgrad gingen die Proteste der Opposition weiter. Der Dinar wurde drastisch abgewertet. Erich Rathfelder