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Jüdischer Friedhof wird überbaut

Oberrabbiner signalisiert Zustimmung zu neuen Bebauungsplänen auf dem Gelände des jüdischen Friedhofs  ■ Aus Hamburg Uli Exner

Das Einkaufszentrum auf dem Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhofs im Hamburger Stadtteil Ottensen wird gebaut. Davon gehen jetzt sowohl der Hamburger Senat als auch die Investorenfirma Büll und Liedke aus, die in den vergangenen Wochen mit dem jüdischen Oberrabbiner Itzchak Kulitz einen neuen Bebauungsplan ausgehandelt haben.

Er sieht vor, daß im Bereich des ehemaligen Friedhofs Stützen ins Erdreich eingelassen werden. Die dazu nötigen Ausschachtungsarbeiten sollen unter Aufsicht eines Beauftragten des Oberrabbiners ausgeführt werden. Er soll dafür sorgen, daß Gräber und Gebeine nicht angetastet werden. Eine ursprünglich vorgesehen Parkgarage soll nun nicht gebaut werden, statt dessen sind Parkplätze auf dem Dach des Einkaufszentrums vorgesehen.

„Ich gehe davon aus, daß Kulitz seine Zustimmung gibt“, sagte der Chef der Hamburger Senatskanzlei, Thomas Mirow, gestern gegenüber der taz. Die Bestätigung des Oberrabbiners wird nach Informationen des Norddeutschen Rundfunks derzeit in Jerusalem vom Hebräischen ins Deutsche übersetzt. Mirow rechnet damit, daß die nötigen Ergänzungen der Bebauungspläne in Kürze vorliegen.

Mit der sich nun abzeichnenden Lösung sind für den Hamburger Senat aber längst nicht alle Probleme vom Tisch. Die Investorenfirma will die durch die Bauverzögerung und Neuplanung entstandenen Kosten in Millionenhöhe bei der Stadt und beim Vorbesitzer wieder eintreiben. Schließlich, so ein Unternehmenssprecher, habe man beim Kauf des Geländes nichts von der Existenz des Friedhofs gewußt.

Mirow schloß eine Beteiligung des Hamburger Senats an den Mehrkosten gestern nicht aus. Über die Höhe dieser Beteiligung bestünden aber erhebliche Differenzen. Sollten sich Senat und Investor nicht einigen, ist für Mirow „eine Klärung vor Gericht denkbar“.

Unklar ist bislang auch, wo nun jene 69 Wohnungen gebaut werden sollen, die der alte Bebauungsplan genau dort vorsah, wo nun die Parkdecks eingerichtet werden sollen. Der Senat, an die Mischbebauung im Viertel gebunden, muß nun eine „ortsnahe“ Alternative finden. Im dichtbesiedelten Ottensen nicht eben eine leichte Aufgabe.

Nicht auszuschließen ist, daß die Demonstrationen orthodoxer Juden nun von erneutem Protest der Ottenser Anwohnerinitiativen abgelöst werden, die seit Jahren Wohnungsbau statt eines neuen Einkaufszentrums für das umstrittene Gelände fordern.

Die ultraorthodoxen Juden, die in den vergangenen Monaten immer wieder die Bauarbeiten auf dem Gelände des von den Nationalsozialisten zerstörten jüdischen Friedhofs blockierten, haben bereits signalisiert, daß sie sich der mit Kulitz ausgehandelten Lösung anschließen werden.

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