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Geheimaktion Methadonbus

■ Mitte Juli soll es losgehen / Alle wollen ihn, aber alle wollen ihn woanders

„Ich glaube erst an den Methadonbus, wenn er fährt.“ Stefan Schafheitlin von der Wählerinitiative „Wir im Viertel“ ist skeptisch. Zweimal schon wurde der Bus, der die Methadonversorgung von substituierten Drogenabhängigen am Wochenende dezentral an vier verschiedenen Stellen sicherstellen soll, versprochen. Erst sollte er im April kommen, dann im Juni, jetzt ist es Anfang Juli. Wo ist der Bus?

Er steht, fertig umgebaut und seit gestern auch beim TÜV angemeldet, auf dem MAN-Gelände im Bremen-Nord. Der Fahrplan ist fertig, die Haltestellen sind ausgeguckt: Nur zwei von vier Beiräten müssen noch ihren Segen geben. „Wir können Mitte Juli anfangen“, sagt Jochen Thaens, beim Roten Kreuz zuständig für die technische Logistik des Unternehmens Methadonbus. Und auch Gert Schöfer, bei der Gesundheitssenatorin federführend mit dem Busprojekt beauftragt, wünscht sich einen „Beginn noch im Juli“. Voraussetzung ist, daß die Beiräte mitspielen. Die haben die Gesundheitspolitik mit

lerweile zur geheimen Kommandosache erklärt. Dezentralisierung muß sein, aber die betroffenen Anwohner wollen sie nicht bei sich in der Nachbarschaft haben. Die Beiräte haben Angst vor dem Aufstand ihrer Bürger. So wurde das Thema Haltestellen nicht öffentlich auf die Tagesordnung der Beiräte gesetzt, sondern in die Sozialausschüsse überwiesen und damit nichtöffentlich behandelt.

In Schwachhausen, so beklagt ein Beiratsmitglied, hätten bereits jetzt, noch vor der endgültigen Entscheidung im Beiratsausschuß, Bürger eine Verwaltungsklage gegen die Haltestelle des Methadonbusses angekündigt. „Ein ganz sensibles Thema, das wir aus Erfahrung nicht öffentlich behandeln wollen“, bestätigt Ortsamtleiter Müller. Und auch seine Kollegin in der Neustadt, Gisela Rose, ist sich sicher, „daß die öffentliche Diskussion der Sache mehr schadet als Nutzen“

Zeichnung

bringt: Wenn sich die Haltestellen im Stillen bewähren, würden sie automatisch akzeptiert. Dieser Meinung ist auch der Ortsamtleiter im Bremer Westen, Bernd Peters: „Es kommt nicht darauf an, öffentlich zu diskutieren, sondern es geht darum, den Betroffenen zu helfen“, erklärte er.

Es geht um ein ziemlich unspektakuläres Verfahren. Derzeit werdem im Bremer Methadonprogramm etwa 300 Abhängige substituiert. In der Woche bekommen sie den Ersatzstoff bei ihrem Arzt, am Wochenende gibt es bislang nur eine Ausgabestelle im Hauptgesundheitsmat in der Horner Straße. Dann, so monierten Anwohner in der Vergangenheit, zieht die gesamte „Szene“ einschließlich Dealern und den Abhängigen, die nicht substituiert werden, zum HGA. Den Substituierten werden direkt vor dem HGA Tabletten, Koks, und natürlich Heroin angeboten: „Da war sonntags immer die Hölle los“,

klagt Stefan Schafheitlin. Wenn der Bus erst einmal fährt, wird es die Ausgabestelle HGA nicht mehr geben und eine Anlaufstelle des mit Drogen-Analaufstellen wahrlich üppig ausgestatteten Viertels wäre verschwunden.

Bislang ist klar, daß der Bus in der Mercedesstraße in Hemelingen und in Gröpelingen an der Wendeschleife der Straßenbahn halten wird. In der Neustadt stehen die Schulstraße und in Schwachhausen der Barkhof oder der Parkplatz der Notambulanz des Roten-Kreuzes zur Diskussion. In der Neustadt fällt die Entscheidung noch in dieser Woche, in Schwachhausen ist der zuständige Ausschuß für den 7. Juli einberufen.

In Bremen-Nord wird Methadon weiter beim dortigen Gesundheitsamt ausgegeben. „Wir kommen mit dieser Regelung gut klar“, erklärte er dortige Leiter David Klemperer. Markus Daschner

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