: Haushalt fest in Waigels Hand
■ Bonn spart 1993: Ein bißchen bei der Verteidigung, bei den Arbeitslosen darf's auch etwas mehr sein
Bonn/Berlin (taz) — Das Jahr 1993 hat Bundesfinanzminister Theo Waigel gut im Griff. Der Haushalt wächst, wie versprochen, lediglich um 2,5 Prozent auf 435,65 Milliarden Mark. Und dieser Zuwachs ist laut Ministerium eigentlich gar keiner, weil 13 Milliarden an Ausgaben faktisch durchlaufende Posten seien. Dazu gehören zehn Milliarden Mark aus der Mehrwertsteuererhöhung, die ab Januar über die Konten des Finanzministeriums an die Länder weitergeleitet werden, ergo gar keine Ausgaben sind.
Manch andere Ausgabe, die sehr wohl eine ist, taucht dafür in Waigels Zahlenwerk nicht auf. So haben Waigels BeamtInnen für die geplante Reform der Bundesbahn keine Risikovorsorge getroffen. Dabei hängt die anstehende Reform von der Übernahme der Schulden von Bundes- und Reichsbahn ab, heute rund 130 Milliarden Mark.
Für die Kosten der Einheit sollen sich die Ausgaben des Bundes von 86 Milliarden in diesem Jahr auf 92 Milliarden Mark im nächsten erhöhen. Zum Ausgleich wollte Waigel die Ostländer ab 1994 zur Kasse bitten: Sie sollten jeweils die Hälfte der alten DDR-Schulden aus dem Kreditabwicklungsfonds, der Treuhandschulden und der Schulden der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften aufgebürdet bekommen, eine Summe von rund 225 Milliarden Mark. JedeR OstbürgerIn hätte dann, 1996, 23.000 Mark Schulden zu tragen gehabt, gegenüber 5.000 Mark pro Wessi. Dagegen nun sind gestern die CDU/CSU- und die FDP-Fraktion eingeschritten: Nicht die armen Ostländer, sondern der Bund und die Westländer sollen zahlen.
Das dürfte Waigels mittlere Finanzplanung durcheinander wirbeln. Zwar hat er ab 1995 zur Treuhandschulden-Übernahme 13 Milliarden Mark, zum Ausgleich des Fonds Deutsche Einheit (Schuldenstand 90 Milliarden Mark) ab 1994 3,5 Milliarden Mark und für den ersten gesamtdeutschen Länderfinanzausgleich 1995 15 Milliarden eingeplant. Für den Länderfinanzausgleich wird Waigel direkt nach der Sommerpause auf Drängen der Fraktionen „entsprechende Korrekturen“ vornehmen müssen. Ziel soll nämlich die jährliche Zuwachsbegrenzung von 2,5 Prozent für den Bund, drei Prozent für die Länderhaushalte bleiben. Dann wird wohl auch die Gesamtverschuldung aller öffentlichen Haushalte, die ohne Korrekturen bis 1996 auf 2.244 Milliarden Mark anzuschwellen droht, Thema Nr.1 in Bonn sein.
Innerhalb des Waigelschen Stückwerks 1993 sind einige Mittel umgeschichtet worden. Nach dem Etat des Arbeits- und Sozialministeriums, der wegen der gesetzlichen Sozialversicherungen automatisch auf 8,8 Prozent wächst, ist der Titel „Bundesschuld“ mit knapp 59 Milliarden der zweitgrößte Posten. Obwohl die militärische Bedrohung aus dem Osten nicht mehr existiert, schrumpft der Verteidigungsetat lediglich um 1,7 Milliarden (oder 2,5 Prozent) auf 50,8 Milliarden DM. Der größte Sparposten mit 6 Milliarden DM ist der gestrichene Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit.
Die nackte Gesamtzahl 2,5 Prozent kann man ebenfalls als geschönt empfinden: Die Steigerungsrate bezieht sich auf den Bundeshaushalt 1992 einschließlich Nachtragshaushalt. Um den Haushalt 1994 ebenfalls nur um 2,5 Prozent wachsen zu lassen, empfiehlt sich im Frühjahr 1993 ein möglichst großes Nachbesserungspaket. Darin könnten dann auch die Kosten für die heraufgesetzten Steuerfreibeträge verpackt werden, die ebenfalls im Etat 1993 fehlen. Denn das Bundesverfassungsgericht wird in Kürze ein Urteil verkünden, nach dem niedrige Einkommen künftig nicht mehr besteuert werden dürfen, wenn dadurch der Nettobetrag unter das Sozialhilfeniveau sinkt. Donata Riedel
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