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Im Wüstengürtel und Urwaldklima

■ Die Meteorologen sind in der Frage der Ursachen für die ungewöhnliche Wetterlage uneins

Das Klima hat die Nation entzweit. In Norddeutschland ist seit sieben Wochen kaum ein Tropfen Regen gefallen, in Süddeutschland goß es zu gleicher Zeit wie aus Kübeln. Am Kap Arkona auf Rügen wurde im Juni kein einziger Millimeter Niederschlag gemessen, in Bad Kissingen in Bayern prasselten 231 Liter Regen pro Quadratmeter nieder — dreimal soviel wie normal. Am heißesten ging es in Berlin und Cottbus zu: Hier wurde eine Mitteltemperatur von über 20 Grad Celsius verzeichnet.

Seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen vor 100 bis 150 Jahren gab es in Norddeutschland keinen Juni, der so trocken war wie in diesem Jahr. Über die Frage, wie die seit dem 13. Mai andauernde ungewöhnliche Wetterlage zustande kam, sind sich die Meteorologen allerdings uneins. Der Klimatologe des Seewetteramtes Hamburg, Lothar Kaufeld, ist felsenfest davon überzeugt, daß die für Europa wetterbestimmenden Tiefs und Hochs in diesem Jahr ihre angestammten Plätze vertauscht haben.

Der normalerweise über Mitteleuropa und Süddeutschland liegende Ausläufer des Azorenhochs sei auf einmal Richtung Norden zum Nordatlantik bis nach Schweden gewandert und rühre sich dort seit sieben Wochen kaum von der Stelle. Durch eine Lücke an der Südflanke des Hochs, so Kaufeld, schlüpften von der Biskaya kommende Tiefs mit feuchtwarmer Mittelmeerluft, die sich auf dem Weg nach Osten über Süddeutschland entladen.

Der Berliner Meteorologe Christan Freuer ist da ganz anderer Meinung. „Wir haben es hier mit den neun Hochs Yekudi, Zeno, August, Bernd, Claudius, Dirk, Emil, Felix und Gerd zu tun, und nicht mit ein und derselben Wetterlage.“ Die Hochs hätten sich ständig verändert, „mal lagen sie über dem Atlantik, mal über Skandinavien“. Die These vom verschobenen Azorenhoch hält Freuer aber schon allein deshalb für Unsinn, weil dann „mitten über der Wüste“ tropische Gewitter niedergehen müßten: „Ich glaube kaum, daß der Kollege das meint.“ Doch Kaufeld bleibt dabei: „Die Wetterlage ist doch so ähnlich wie in den Tropen. Im übertragenen Sinne befinden wir uns hier im Norden im Wüstengürtel, und in Süddeutschland herrscht ein feuchtes Urwaldklima.“

Einen Grund zur Beunruhigung sehen die Meteorologen in der Wetterentwicklung allerdings beide nicht. Schließlich, so Freuer, habe es schon in früheren Jahren große Sommerdürren gegeben. Auch Kaufeld findet, daß die Dürre kein Indiz für die drohende Klimakatastrophe ist. Der Grund: Im vergangenen Jahr sei der Juni extrem kühl und feucht und der Juli um so trockener und wärmer gewesen. „Mit anderen Worten: es gleicht sich aus, obwohl es auf der Erde durch die Treibhausgase wärmer geworden ist.“ Plutonia Plarre

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